Wiedersehen mit dem inneren Kritiker - oder - wie ich das Problem noch immer nicht gelöst habe.

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Wer von euch erinnert sich noch an den Artikel vom Anfang des Jahres?

Darin habe ich berichtet, wie es mir mit meiner nun seit gut einem Jahr anhaltenden Schreibkrise geht und was ich alles dagegen auf der Suche nach einem Heilmittel tue. Nachdem der erste Versuch mehr oder weniger ein Flop war, möchte ich diesen Monatsbeitrag nutzen, um zu erzählen, wie die Sache weiterging oder weitergeht, je nachdem, wie man das sehen möchte, denn aufgegeben habe ich natürlich nicht. Nachdem der erste Ratgeber es nicht gebracht hat, habe ich mir einen zweiten bestellt, der im Lauf des Januars geliefert wurde und den ich dann über den Februar ausprobiert habe.

Der Ratgeber ist die “30 Tage Schreibchallenge” von Tinka Beere.

Um es vorwegzusagen: ich finde das Buch sehr niedlich. Es ist richtig süß gestaltet. Der Einband ist sehr bunt, mit lustigen Figuren übersät, bringt Farbe und den Frühling in den Bücherschrank. Kann man auch nicht für alle Ratgeber sagen. Auch der Titel ist cool. 30 Tage Schreibchallenge! Ehrlich, das klingt nicht nach trister Arbeit, öder Theorie. Das liest sich wie Abenteuer, Spannung und Spaß. Wer möchte da nicht gern mitmachen? Und gleichzeitig liest es sich wie etwas, dass man relativ schnell bewältigen kann. 30 Tage, einen Monat. Das ist eine überschaubare Zeit. Das wird man doch wohl schaffen können. Ein Monat ist doch nichts. Den hat man mal. Locker. Außerdem gibt es ein Limit und Menschen funktionieren immer gut, wenn eine Deadline gesetzt ist. Sind schon gute Voraussetzungen. Doch graben wir ein wenig tiefer. Wie ist es um den Inhalt bestellt?

Auch dieses Buch startet mit der psychischen Komponente des Schreibens.

Nachdem eine kurze Einweisung zur Benutzung des Buches gegeben wurde, ist das erste Geheimnis, dass um das Schreiben gelüftet wird die Frage nach der Motivation. Annahme hier: wenn man weiß, warum man schreibt, was man damit erreichen möchte, dann hält man auch durch, bzw. dann soll es einfacher sein, sich eine Routine aufzubauen und durchzuhalten.

Ja, und hier sehen wir, dass das Buch, genau wie die anderen Ratgeber, auch in die gleiche Richtung abdriften wird. Es wird wieder darum gehen eine Routine aufzubauen und durchzuhalten, doch bevor es darum geht werden noch die Stationen NaNo und NaNoCamp abgehakt und erklärt. (Wer genauer wissen möchte, was es damit auf sich hat, der schaue hier.)

Nachdem das geklärt ist, kommt doch ein Schwank an Theorie, denn so ganz ohne geht es nicht.

Tinka erklärt den Unterschied zwischen einem Outliner und einem Discovery Writer, verschiedene Geschichtsstrukturen, die man zum Aufbau einer Geschichte nutzen kann, ehe man sie überhaupt schreibt.

Nach dem Ausflug in die Theorie folgen weitere Geheimnisse, die einem Autor / einer Autorin das Schreiben einfacher machen sollen. Namentlich sind das die Fähigkeit Dinge zu delegieren (also auch mal den Mann den Abwasch machen lassen), jeden Tag zu schreiben (muss ja nicht viel sein.) und auch schnell und schlecht zu schreiben, einfach um den Fluss zu kommen und um den Erstentwurf schnell herauszuhauen. Das Überarbeiten einer Geschichte dauert eh noch mal, da muss man sich nicht schon beim Erstentwurf über die Gebühr aufhalten. Auch das Problem des Motivationsverlustes etwa in der Mitte des Arbeitsprozesses wird angesprochen und kurz erklärt, was der für Gründe haben kann. Wie man sie allerdings loswird… Dafür gibt es wieder nur den einen Ratschlag: Schreiben.

Wenn man das soweit hat, geht das Buch in den Praxisteil über. Hier findet man die Zeitplanung, bei der man angibt, wie lange man täglich schreiben möchte, Charakterbögen, die man ausfüllen kann, einen Tracker mit dem man festhalten kann, wie man sich jeden Tag beim Schreiben gefühlt hat, was gut, was schlecht war, sowie kleine Tipps in Form von kurzen Sprüchen, wie: „Lege immer wieder eine Pause ein, um den Kopf freizumachen“ oder „Versuche Menschen zu finden, mit denen du zusammenschreiben kannst.“

Alles in allem ein nettes Büchlein, das Wissen hat, aber nicht unbedingt so staubtrocken daherkommt, wie manch anderer Ratgeber. Darüber hinaus setzt das Buch auch den gleichen Fokus wie „Mindset für Autoren“, nämlich darin, eine Routine aufzubauen, täglich zu schreiben, gut und solide zu plotten, um „hausgemachte“ Stolperfallen zu umgehen und den inneren Kritiker nicht stärker anzuziehen als notwendig und ihn, falls er auftaucht, zu ignorieren. Allerdings, genau wie in „Mindset für Autoren“, wird auch hier nicht gesagt, WIE man das schafft die eigene nagende Stimme im Kopf abzuschalten.

Schnell wurde mir klar, auch das Buch ist wohl nicht der Schlüssel zu meinem Problem, dennoch habe ich die Tipps und Tricks probiert in der Hoffnung, doch eine Lösung zu finden und wieder schreiben zu können. Mit dem Ergebnis, immer gefrusteter und auch erschöpfter zu sein.

Nach dem einen Monat Schreibchallenge bin ich wieder dazu übergegangen, nur noch am Wochenende zu schreiben und mich weiter nach einer Lösung für mein Problem umzusehen. Und per Zufall stolperte ich über eine Fragerunde einer gestandenen Autorin auf Instagram, die zu dem Zeitpunkt genau mein Problem zu behandeln schien.  Da die Frau eine gestandene Autorin ist und sich neben ihrer Schriebkarriere noch um zwei kleine Kinder kümmert, dachte ich mir, wenn jemand etwas von Zeitdruck und Schreibkrisen versteht, dann doch wohl sie. Entsprechend gespannt wartete ich, was für Tipps sie hätte, was für Trick sie verraten kann, aber nope, nichts Neues unter der Sonne.

Auch sie empfahl nur die üblichen Mittel und Wege:

  • Man soll das Schreiben in eine Routine verwandeln. Dann wird es leichter.

  • Man soll die Schreibzeit so wichtig nehmen wie den Job, den würde man auch nicht schwänzen.

  • Man kann das Schreiben auch als Lückenfüller nutzen, wenn man im Wartezimmer oder in der Bahn sitzt.

  • Auch eine halbe Stunde Schreibzeit pro Tag ist Schreibzeit und bringt einen vorwärts…

Ja, ja und nein.

Ja, Routine macht es einfacher und ja, wir sollten uns und unsere Schreibzeit wichtig nehmen. Ja, man kann auch im Wartezimmer oder in der Bahn schreiben, klar. Und ja, ich habe all das auch schon gemacht. Zu meinen Studienzeiten.

Aber nein, nicht immer hapert es daran, dass man keine Routinen hat oder sich nicht die halbe Stunde Zeit für das Schreiben nimmt.

Theoretisch wären bei mir pro Tag noch zwei Stunden Schreibzeit machbar. Zeitlich gesehen. Aber nach der Arbeit zu schreiben bringt nichts, in meinem Kopf ist nur noch Nebel, jedes Wort, das ich schreibe, klingt falsch, klobig, unpassend, wird wieder gelöscht. Für Actionszenen bin ich viel zu müde. Ich weiß nicht, ob man das versteht, aber spannende, aufregende Szenen, selbst wenn ich sie nur schreibe, verlangen von mir Energie. Und die habe ich offenbar nach 9 Stunden Arbeit nicht mehr.

Erkenntnis des Ganzen war also: Zeit ist nicht das Problem, sondern Energie.

Was also dagegen tun?, fragte ich.

Antwort war: Wenn ich abends nicht schreiben könne, hätte ich es schon mal mit früh morgens probiert? Sie selbst halte es so, dass sie eine Stunde vor der Familie aufsteht und sich ans Schreiben setzt.

Ich rieb mir verwundert die Augen. Wie bitte soll es jemandem helfen, der total erschöpft ist, wenn man ihm von der Pause noch ein wenig was ab zwackt? Scheint mir der schlechteste Rat zu sein, den man geben kann. Sicher geht es für eine Weile gut, wenn man über seine Verhältnisse lebt. Egal ob es dabei um Energie oder Geld geht. Und wenn man kurz vor der Fertigstellung eines Projekts steht, gut, warum nicht. Aber auf Dauer? Wohl kaum.

Fazit meiner Suche also bisher:

Weder das Buch noch der Videochat haben es gebracht.

Keiner konnte mir sagen, WIE ich mein Problem loswerde, weil es dazu keine Auskunft gibt.

Stattdessen wurde ich in meinem Vorurteil, die Finger von den Ratgebern zu lassen, nur noch weiter bestärkt, was ich ehrlich etwas schade finde. Ich hätte mich gern vom Gegenteil überzeugen lassen.

Zudem macht es mich etwas sauer, weil ich euch auch gern einen guten Ratschlag / eine Lösung weitergegeben hätte. Wenn ich etwas lerne, wenn bei mir etwas funktioniert, dann halte ich damit nicht hinterm Berg, sondern teile gern, aber… leider muss ich passen. Ich arbeite seit einem halben Jahr dran und ihr seht … Nichts.

Ebenfalls sauer macht mich die Überzeugung einiger Zeitgenossen, sie wüssten, wie der Hase läuft. Da werden Ratschläge in einem Brustton der Überzeugung verkündet, als ob sie die absolute Wahrheit wären. Und in der Regel haben diese Zeitgenossen ein Publikum um sich geschart, dass brav applaudiert. Dabei ist jedem klar, der auch nur für fünf Sekunden still hält und nachdenkt, dass die verkündeten Lösungen vielleicht nicht mehr sind als Schall und Rauch. Denn nicht immer ist alles so einfach und kann so einfach gelöst werden. Leider. Das Leben und alles, was damit einhergeht, ist nicht Schwarz / Weiß. Warum sollten es dann die Lösungen sein?

Ihr seht also mein einziger Rat, den ich heute weitergeben kann ist: seid und bleibt offen für alles, aber seid und bleibt auch kritisch. Nicht immer ist alles Gold, was glänzt.

P.S. Wenn ihr einen Tipp haben solltet, wie man den großmäuligen inneren Kritiker dazu bringt besagtes Maul zu halten, dann meldet euch

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