Was kost´ die Welt? In Vancouver.
Weil ich es in meinem letzten Blogbeitrag bereits angedeutet habe und weil immer wieder Fragen und Verwunderung (ganz abgesehen von Belehrungen jedweder Art) kommen, hier noch mal ein Beitrag zum Leben und zu den Kosten in Vancouver.
Wie bereits in meinem anderen Blogbeitrag angedeutet, ist das Leben hier nicht ganz so einfach und günstig, wie in Deutschland oder auch Frankreich, nicht zuletzt auch. Doch was bedeutet das genau? Auf welche Kosten muss man sich einstellen, wenn man vorhat, nach Vancouver zu ziehen.
Miete:
Wir sind gerade dabei uns nach einer neuen Wohnung umzusehen, einfach weil unsere Luxusruine in Vancouver Downtown mit einer Miete von 3.200 Dollar pro Monat ganz schön teuer ist. Nicht zuletzt auch, weil der hier wichtigste Kostenfaktor, die Heizkosten, nicht in der Miete inbegriffen ist, denn geheizt wird hier mit Strom. In guten, also warmen Monaten, hat man eine Rechnung von circa 70 Dollar pro Monat. Wird es aber kalt, schafft man es auf locker über 200 Dollar pro Monat, die zu der Grundmiete dazu kommen, so dass die Wohnung auf einmal statt 3200 Dollar eigentlich 3400 Dollar kostet.
Dadurch, dass wir die letzten Wochen mit der Wohnungssuche verbringen durften, haben wir einen kleinen Einblick in den Markt hier bekommen und dabei sind uns ein paar Sachen klar geworden.
Erstens: Kanadier machen alles kaputt.
Vancouver wächst gerade sehr stark. Fast an jeder Ecke wird ein neuer Hochhaustower gebaut und so haben wir uns sehr viele neue Wohnungen ansehen können, die nicht älter als drei oder vier Jahre waren. Gemein war all diesen, dass, wenn ein Kanadier der Vormieter gewesen war, die Wohnung nicht so aussah, als sei sie drei oder vier Jahre alt, sondern, nach den Schäden und Abnutzungen an der Wohnung zu schließen mindestens zehn Jahre alt. Das liegt daran, dass Kanadier eine komplett andere Auffassung von Gebrauch haben. Bei ihnen gilt, sie wenden sie keine Sorgfalt auf, um die Wohnung instand zu halten.
Was das konkret heißt, konnten wir bei den Besichtigungen hautnah erfahren.
Die Wohnungen sahen verwohnt, ungepflegt aus, alle hatten Probleme mit Schimmel, teilweise waren die Türen der Einbauchküche oder der Einbauschränke stark beschädigt, der Fußboden war dreckig, die Spiegel im Bad beschlagen, teilweise blind. Und das waren die Wohnungen, die bereits leer standen.
Bei denen in den die Mieter noch darin wohnten, kam noch hinzu, dass es aussah, als habe eine Bombe eingeschlagen. In den Küchen türmte sich dreckiges Geschirr, die Schmutzwäsche war großzügig als Dekoration in der Wohnung verteilt.
Fast schon Standard waren Probleme wie kaputte Fußbodenheizungen, undichte, schlecht isolierte Fenster.
Zweitens: Zimmer Fata Morgana:
Ich weiß, der Wohnungsmarkt in Vancouver ist eng. Viele Menschen, eine Insel, wenig Platz. Doch was wir als Drei Zimmer Wohnungen angesehen haben, war manchmal sehr verwunderlich. Gern werden Räume, die eigentlich kein Schlafzimmer sind, als zusätzliches Schlafzimmer ausgegeben. Das heißt, Kinder schlafen mal in unbeheizten Wintergärten oder aber fensterlosen Abstellräumen. Das waren dann die Besichtigungen, wo wir uns hinterher gegenseitig fragten, ob irgendwer von uns das angepriesene zweite Schlafzimmer gefunden hätte. Meist lautete die Antwort einhellig: „Nein. Du?“
Drittens: Stadtflucht bringt keine niedrigere Miete und mehr Geld heißt nicht mehr Quadratmeter oder mehr Qualität
Wenn man in deutschen Großstädten nichts Bezahlbares mehr findet, nimmt man den Wegzug aufs Land und morgendliches Pendeln in Kauf. Das haben wir hier auch probiert und deswegen nicht nur in Vancouver Downtown direkt, sondern auch in den angrenzenden Gebieten gesucht. Dabei mussten wir aber schnell zwei Dinge feststellen:
Erstens: Auf das Land ziehen bedeutet nicht, dass die Mietkosten sich verringern. Nein, auch die Mieten außerhalb Vancouvers sind genauso teuer, wie in Downtown, so dass man am Ende sogar tiefer in die Tasche greifen muss, als wenn man direkt in der Stadt wohnen würde, schließlich muss man noch die Fahrtkosten, um die 130 Euro pro Monat, bezahlen.
Zweitens: Man hat auch nicht mehr Quadratmeter oder mehr Qualität, nur weil man nicht mehr in Downtown ist. Der Markt außerhalb Vancouvers ist der Gleiche, wie innerhalb. Nur eben in einer toten Gegend. Einziger Lichtblick: Man findet mehr neue Objekte, wo noch kein Kanadier vor einem gewohnt hat und hat die Chance auf eine brandneue, noch nicht verwohnte Wohnung.
Lebensmittel:
Ein weiterer wichtiger Punkt neben der Miete sind die Lebensmittelpreise.
Als Faustregel kann man hier sagen: es ist hier alles ungefähr drei Mal so teuer, wie in Deutschland, kombiniert mit schlechter Qualität. Besondrers auffällig dabei ist, dass es einige Waren gibt, die konstant teurer sind als andere. Dazu gehören sämtliche Milchprodukte und Fleisch. Wobei hier zu bemerken ist, dass irrwitzigerweise Hühnchen in Kanada besonders teuer und Schwein und Kuh noch bezahlbar sind, während es in Deutschland umgekehrt ist.
Obst und Gemüse sind ebenfalls teuer. Nicht etwa, weil Kanada das Zeug einfliegen lassen müsste, nein, es gibt hier jede Menge Anbaugebiete hier um die Ecke, dennoch sind die Preise für Obst und Gemüse gerade im Supermarkt unbezahlbar.
Um ein paar Beispiele zu zeigen, folgende Aufnahmen aus dem Supermarkt und dem Gemüsemarkt
um die Ecke.
Wie ihr sehen könnt, sind die Preise happig. Deswegen ein Tipp: Holt das Gemüse nur im Gemüsemarkt, nicht beim Supermarkt, denn die örtlichen Gemüseläden kaufen am Morgen bei den Großhändlern ein und können ihre Ware so zu einem günstigeren Preis anbieten, als die Supermärkte. Wenn man also mit Familie unterwegs ist und auf das Geld achten muss, geht zum Gemüse- und Obsthändler. Dort bekommt ihr mehr für euer Geld und teilweise sogar bessere, frischere Ware, als im Supermarkt.
Hobbies:
Vom Essentiellen nun zu den Hobbies. In Deutschland ist es relativ normal, dass man einem Hobby nachgeht, Sport betreibt und Mitglied in einem Sportverein ist. Hier ist das nicht möglich, einfach aus zwei Gründen:
Erstens: Kostenfaktor:
Die Kanadier lassen sich alles teuer bezahlen. Möchte man einen Sport betreiben, gibt es zahlreiche Fitnessstudios, in denen man das könnte, aber das kostet ein kleines Vermögen und ist bei einer Familie nicht machbar. Was die Kanadier angeht, die haben sich dem angepasst. Viele von ihnen machen keinen anderen Sport außer Joggen, denn um das zu tun, muss man keinem Sportstudio beitreten, sondern sich nur die entsprechende Trainingskluft besorgen. Jeder, der einen anderen Sport nachgehen möchte, für den er einen Trainer oder eine Halle bräuchte oder aber ein anderes Hobby machen möchte, hat das nachsehen, denn
Zweitens: Fehlende Infrastruktur
In Deutschland hat man die Qual der Wahl, wenn es darum geht, welchem Verein man beitreten möchte, es gibt einen Verein für alles und die Mitgliedschaft ist in der Regel nicht teuer, so dass auch Menschen mit einem normalen bis geringem Einkommen es sich leisten können einem Hobby nachzugehen. Möglich wird das, weil die Vereine, die solche Leistungen anbieten oft von Freiwilligen unterstützt werden, die für ihre Arbeit keine oder nur eine geringe Gegenleistung sehen, während gleichzeitig noch die Stadt in der der Verein liegt oder aber das Bundesland mit Finanzleistungen mithilft. Das alles sorgt dafür, dass die Beiträge, die die Mitglieder beisteuern müssen, so gering ausfallen und es ist ein hier gänzlich unbekanntes Phänomen.
Egal ob es sich um einen Sportverein oder aber um einen Kirchenchor handelt, alles muss hier teuer bezahlt werden. So waren wir auf der Suche nach einem Kirchenchor für das Tochterkind, nur um festzustellen, dass wir pro Monat 37 Dollar zahlen dürften. Macht pro Jahr über 400 Dollar. Dabei handelt es sich aber nur um die Kosten für die Mitgliedschaft, zu der noch Kosten für entsprechende Chorkleidung, für die Gesangsstunden, die sie buchen müsste und natürlich eine Beteiligung an den Kosten, wenn der Chor irgendwo auftritt und die Kinder von A nach B gebracht werden müssen oder ein Saal gemietet werden muss, hinzukämen. Dazu wieder die Fahrtkosten gerechnet und so kommt man pro Monat auf nicht weniger als 90 Dollar pro Monat, die für ein Hobby fällig würden.
Pro Jahr wären das für eine Person über 1.000 Dollar nur für Freizeitaktivitäten. Für eine Familie an sich nicht machbar.
Einziger Ausweg aus dem Dilemma sind die Community Houses.
Dabei handelt es sich um Einrichtungen, die eine gewisse Anzahl an Kursen zu einem „kleinen“ Preis anbieten und die ich von der Qualität immer mit den Volkshochschulen vergleiche. Der Grundgedanke ist, für einen bezahlbaren Preis eine Vielzahl an Kursen anbieten zu können. Die Qualität der Kurse dabei steht und fällt mit dem jeweiligen Lehrer. So kann man dann für einen Pilateskurs statt 80 Dollar nur 50 Dollar zahlen, wobei der Preis von Kurs zu Kurs und von Lehrer zu Lehrer, sowie auch von Standort zu Standort variiert. Dennoch ist es oft der einzige Weg für Familien ihren Kindern ein Hobby zu erlauben, auch wenn man dafür in Kauf nehmen muss sein Kind nicht optimal fördern zu können, entweder weil der entsprechende Kurs vor Ort einfach nicht angeboten wird oder aber weil der Lehrer nicht wirklich auf der Höhe ist.
Krankenkasse:
Kommen wir zu einem weiteren wichtigen Punkt: Die Krankenkasse.
In Deutschland hat man ein System in dem alle einen Grundschutz genießen. Wer darüber hinaus noch andere Leistungen haben möchte, muss sich entweder mit entsprechenden Zusatzversicherungen ausstatten oder aber in eine private Versicherung wechseln, wenn er sich das leisten kann.
In Amerika, das wissen wir alle, gibt es so etwas überhaupt nicht. Doch was ist mit Kanada. Wenn es in allen bisherigen Kategorien den USA so nacheifert, wie sieht das in Sachen Krankenkasse aus?
Kanada ist ein Mischmodel. Es gibt eine Krankenkasse, die jeden Bürger mit einer Grundausstattung an Leistungen versorgt und in die jeder einzahlen muss. Dabei wird der Teil für die Krankenkassen gleich vom Gehalt einbehalten und abgeführt, wie in Deutschland auch. Da aber die Versorgungsleistung der hiesigen Kassen zum einen sehr viel geringer ausfällt als bei den Kassen in Deutschland, ist es so, dass viele Arbeitgeber ihren wichtigen Arbeitnehmern die Möglichkeit einer Zusatzversicherung anbieten, die dann wiederum weitere Leistungen deckt, wie z.B. die Kosten für Augenuntersuchung oder aber die Kosten für die Zahnspange der Kinder. Ja, überhaupt die Mitversicherung der vom Hauptarbeitnehmer abhängigen Familienmitglieder, also eine Familienversicherung, wie es in Deutschland so schön heißt.
Hat man also den richtigen Arbeitgeber kann man sagen, dass man ein System hat, dass dem Deutschen sehr ähnlich ist.
Der Haken an der Sache: Es gibt eine Bewährungszeit.
Das heißt, jeder der neu in das System hineinmöchte, muss erst eine gewisse Zeit in die Kasse einzahlen, bevor er in sie aufgenommen und ein Anrecht auf Leistungen hat. Im Fall von British Columbia beträgt diese Frist drei Monate. In der Nachbarprovinz Alberta aber kann es ganz anders aussehen und die Frist kann länger oder kürzer sein, da jede Provinz das festlegen kann, wie sie will und die Krankenversicherung nicht landesübergreifend gilt, wie etwa die AOK in Deutschland.
Also muss man sich vor dem Umzug informieren, ob, wann und wie man vor Ort versichert werden kann und jeder Umzug über die Stadtgrenze kann es mit sich bringen, dass man in ein anderes System fällt und wieder von vorn anfangen muss.
Bis man versichert ist, heißt es im Falle eines Falles die Arzt- und Rezeptkosten selber tragen. Und die sind nicht zu verachten.
So zahlt man für einen Routinecheck beim Hausarzt gern mal an die 90 Dollar. Dazu kommen noch eventuelle Kosten für ein Rezept, so dass sich ein Arztbesuch locker auf 200 Dollar berappen kann. Natürlich bar zu zahlen. Das heißt, falls der Arzt einen überhaupt nimmt, denn nicht jeder Arzt nimmt hier Privatzahler.
Zum Vergleich: In Frankreich, wo man auch die Kosten beim Arzt erst mal selbst tragen muss, kostet eine Standartkonsultation 20 Euro, nicht aber fast 60 Euro.
Was man also nicht machen sollte ist klar: Während der Wartezeit ernsthaft krank werden.
Allgemein kann man also festhalten:
Der Umzug nach Vancouver hat uns nichts gebracht, außer einem signifikanten Einbruch an Lebensqualität. Vancouver ist nicht besser als Deutschland und, um ehrlich zu sein, so sehr stehe ich nicht auf Hochhäuser, dass ich meine, man muss diese hier unbedingt mal gesehen haben. Auch viele der Lebensmittel, die als typisch kanadisch oder amerikanisch gelten, kann man bereits in Deutschland bekommen. Gleiches gilt für Literatur, Filme und Serien. Es gibt keinen Grund Deutschland zu verlassen, möchte man amerikanische Sachen haben und ja, Vancouver ist amerikanisch, selbst wenn es offiziell in Kanada ist, es gibt da keinen Unterschied.
Ich hoffe ich konnte mit diesem doch recht langen Beitrag klarstellen, wie das Leben hier in Kanada läuft und warum es so unschön, so kompliziert ist, hier zu Leben und warum so Manches, dass man von Deutschland gewöhnt ist, hier schlicht nicht machbar ist.