Ein Weihnachtsmärchen für Lotte
Es ist kaum zu glauben, aber gut eine Woche vor Weihnachten fängt es hier wohl doch noch an zu schneien. Also zumindest jetzt schneit es. Wie lang das dann anhält ist eine andere Frage. Im Moment wird aber eifrig gefallen und geschippt vor meinem Fenster. So langsam kommt doch noch Weihnachtsstimmung auf, was ich bis gestern noch unmöglich gehalten habe. Doch nach der letzten Aufregung von gestern, Kröte hatte ihre Zahn OP und hinterher wollte uns der Tierarzt noch ein Krebsgeschwür unterjubeln, was sich aber zum Glück als Krötes unschöne Kastrationsnarbe herausstellte, aber der Schock saß erstmal, haben wir das alle dringend nötig.
Bevor ich jetzt die nächste Szene dalasse, möchte ich, bevor ich es vergesse, noch an die Leserunde erinnern. Nächste Woche beginnt die Ausschreibung auf Lovelybooks. Zu gewinnen gibt es als verspätetes Weihnachtsgeschenk ein Ebook von “Lotte in London”. Wenn ihr noch keine Ausgabe habt, schaut vorbei und schreibt euch ein und wer weiß, vielleicht habt ihr Glück.
Scene 3
„Regan, friss nicht so.“
Regan, ein großes Stück Kuchen auf halbem Weg zu ihrem Mund, hielt inne, zuckte dann die Schulter und meinte: „Ich hab eben Hunger.“ Dann verschwand das Stück Kuchen, fast komplett in ihrem Mund und sie kaute genüsslich.
„Also!“, empörte sich Charlotte.
Thomas quittierte die Aktion Regans nur mit einem Glucksen, woraufhin Charlotte ihn strafend ansah.
„Jetzt erzähl doch mal“, forderte sie ihre Tochter auf. „Wie ist es so in der Anstalt?“
Nun war es an Thomas Charlotte einen strafenden Blick zuzuwerfen, den sie gekonnt ignorierte.
Regan, die immer noch an ihrem Stück Kuchen kaute, sagte undeutlich etwas, dass sich nach „Cool“, anhörte.
Charlotte wartete einige Sekunden, ob da noch etwas käme, bevor sie nach ihrer Teetasse griff und „Cool? Und sonst?“, fragte, nachdem sie einen Schluck genommen hatte.
Regan schürzte die Lippen und suchte den Teller mit den Plätzchen ab.
„Regan!“
„Mum!“, Regan sank in sich zusammen und verdrehte die Augen.
„Jetzt erzähl schon. Wie ist es da? Hanni und Nanni oder eher Gruselshow?“
„Lass sie doch erst mal etwas essen“, meinte Thomas.
„Ich bitte dich, sie hat drei Viertel dessen was auf dem Teller war bereits in sich hinein gestopft! Ganz zu schweigen von den vier Stücken Kuchen, die in Rekordgeschwindigkeit ich weiß nicht wohin verschwunden sind!“
Thomas schloss für einen Augenblick die Augen.
„Regan“, sagte er in leidendem Tonfall. „Würdest du bitte deiner Mutter Rede und Antwort stehen, wie es dir in der Schule gefällt und dass der Pulk von mindestens zehn Mädchen der kichernd um dich herumstand, als ich dich abholte, auch dann noch deine Freundinnen sein werden, wenn ich nicht mehr auftauchen sollte, damit sie wieder normal wird und wir in Ruhe weiter Weihnachten feiern können? Danke.“
„Ach deswegen habt ihr so lange gebraucht! Weil du wieder einen Haufen Mädchen mit deinem Lächeln in die Ohnmacht und Kurzatmigkeit treiben musstest“, sagte Charlotte zu Thomas.
„Man tut eben, was man kann“, gab er zurück.
„Konntest dich wohl gar nicht losreißen, wie?“, fragte Charlotte, und als ihr bewusst wurde, wie missgünstig das klang, setzte sie hinzu: „Ich habe euch schon vor mindestens einer Stunde erwartet. So musste ich den Baum ganz allein schmücken.” Sie wies auf den Weihnachtsbaum, der im Glanz der elektrischen Kerzen unbeachtet vor sich hinstrahlte.
„Oh, keine Sorge Mum, Lydia, Rose, Celia und die anderen waren nicht wegen Tom da“, sprudelte Regan hervor und als Thomas ein gespieltes Schluchzen hören ließ, grinste sie. „Sorry Tom. Nein, die Mädels waren da, weil sie sich von mir verabschieden wollte und weil Tom mir doch geschrieben hatte, dass er … Aua!“ Regan sprang vom Stuhl und sah Thomas schockiert an. „Was sollte das?“, schnaubte sie.
Thomas erwiderte ihren Blick seelenruhig. „Oh, war das dein Fuß?“
„Ja!“
„Tut mir so leid. War ein Versehen.“
„Ein Versehen?“
Charlotte, die dem Geschehen verwundert folgte, beobachtete, wie ihre Tochter erst blass und dann rot wurde, bevor sie sich, was sehr merkwürdig war, ruhig auf ihren Stuhl setzte und „Stimmt. Kein Problem. Passiert mal“, murmelte, und nach einem Plätzchen griff, als sei nichts gewesen, wo Charlotte eher eine scharfe Antwort erwartet hätte. Sie kniff die Augen zusammen und musterte die beiden anderen scharf.
„Irgendwas stimmt hier nicht“, murmelte sie, aber als niemand darauf reagierte, griff sie stattdessen nach ihrer Teetasse und beschloss ihre Beobachtung für das Erste für sich zu behalten. Vielleicht würde später etwas aus Regan herauszubekommen sein, dachte sie sich.
„Wann machen wir eigentlich Bescherung?“ Regan, offensichtlich satt genug, hatte nun den Kopf frei für andere, nicht minder wichtigere Dinge.
„Ich weiß nicht“, meinte Charlotte. „Ich dachte, wir packen die Geschenke morgen aus. Ganz nach englischer Tradi …“
„Mum?“
„Och nicht doch. Ich finde, wir sollten bei den Traditionen bleiben, die Regan kennt“, sagte Thomas und schon wieder fing Charlotte einen Blick auf, der zwischen ihm und ihrer Tochter ausgetauscht wurde.
„Ja, wir wollen heute die Geschenke auspacken.“ Regan nickte so heftig, dass Charlotte fürchtete, sie werde sich das Genick brechen. „Morgen erst die Geschenke auszupacken geht gar nicht.“
„Nein, ganz blöde Idee“, kam es von Thomas. „Ich konnte die Tradition noch nie leiden. Ich mein, wer würde so etwas einem Kind antun? Grausame Tradition.“
„Völlig herzlos.“, pflichtete Regan bei.
„O.k.“, meinte Charlotte. „Wenn es euch so ernst damit ist, dann packen wir die Geschenke heute aus. Ich hatte keine Ahnung, dass das so wichtig für euch ist.“
„Ist es aber!“
„Ja gut, dann“, seufzte Charlotte und erhob sich. „Dann müsst ihr aber noch mal rausgehen, weil ich alles vorbereiten muss. Ich sag euch dann Bescheid, wenn ihr wieder reinkommen dürft.“
„Muss das so umständlich sein?“, fragte Regan. „Können wir nicht einfach alles holen und dann …“
„Ja, sicher doch. Pfeif auf umständliche Vorbereitungen. Lass uns gleich zum Wesentlichen kommen. Erst werfen wir einfach alle Geschenke unverpackt unter den Baum und dann fahren wir am besten bei MacDonalds vorbei und ziehen uns ein paar Burger rein, weil groß kochen ist auch viel zu umständlich! Geht´s noch?“ Charlottes Miene verfinsterte sich, als sie an all die Mühe dachte, die sie sich in den letzten Wochen in Vorbereitung auf das Fest gemacht hatte.
„Ich meine doch nur …“
Charlottes Gesichtsausdruck wurde noch finsterer.
„Ich bin sicher, Regan meinte das nicht so“, mischte Thomas sich ein.
„Ich bin sicher das sie das schon so meinte.“
„Egal, wir gehen jetzt raus, in Regans Zimmer, und du kannst alles in Ruhe vorbereiten, während wir“ Thomas warf Regan erneut einen verschwörerischen Blick zu, „wir machen, was wir machen müssen.“
„Was da wäre?“, fragte Charlotte.
„Ach“, meinte Thomas ausweichend.
„Geschenke einpacken“, sagte Regan.
„Ja. Geschenke einpacken. Komm Regan, wir gehen in dein Zimmer.“ Thomas zog Regan von ihrem Stuhl hoch.
„Ihr wisst, ich hasse Überraschungen.“
„Ja. Aber nun ist es schon zu spät. Wir haben alles schon gekauft.“, sagte Thomas und mit einer letzten Verbeugung verabschiedete er sich aus der Küche und als er mit Regan den Flur hinunterging, hörte Charlotte Regan noch fragen: „Aber es holen wir noch nicht oder?“ und Thomas Antwort: „Nachsehen schadet nicht. Dann entscheiden wir.“