Schneeflocken und das klassische Drama

Egal ob du Pantser oder Plotter bist, früher oder später wirst du dich damit beschäftigen die Idee, die du in deinem Kopf hast auf das Papier zu bringen und in der Regel stößt man dann zumindest auf eine Begrenzung: Zeit.

Die meisten Autoren leben nicht vom Schreiben allein, sondern müssen ihre Schriftstellertätigkeit in Familienleben und Arbeit integrieren und können nicht stundenlang vor dem PC hocken und einfach nur schreiben. Als Autor muss man also einen Weg finden mit oder trotz ständiger Unterbrechungen zu arbeiten und jederzeit den roten Faden wiederaufzunehmen, wenn sich die Gelegenheit bietet.

Ich selbst mache mir lediglich Stichpunkte, wenn mich die Muse küsst, um die Ideen nicht zu verlieren. Um mal zu zeigen, wie das aussieht, hier ein Einblick in die Sammlung von Projekt „M“

schnee1_500.jpg

Das kreative Chaos hat natürlich nichts mit einem sorgfältig gesponnenen roten Faden gemein. Es gibt keine Spannungskurve, keine wirkliche Struktur. Es ist nur ein Haufen Ideen, mehr nicht. Doch wie verwandelt man das, was man sich zwischendrin immer mal notiert, wenn einem eine Szene durch den Kopf geht, in einen glatten roten Faden und eine ansprechende Form?

Dafür gibt es verschiedene Methoden, drei davon, die Schneeflockenmethode, wohl die bekannteste, die Drei -und die Fünf Akt Struktur, übernommen aus dem klassischen Drama, sollen hier vorgestellt werden.

Wer noch mehr Methoden sucht, dem sei der Storyplaner empfohlen. Dort werdet ihr Methoden aus Theater, Film und Fernsehen entdecken können und sicherlich fündig werden, wenn die Schneeflocke oder die Aktstruktur nichts für euch ist. Außerdem könnt ihr dort eure Projekte und Figuren anlegen und verwalten. Also, schaut doch mal vorbei. Doch nun zur ersten Methode:

Schneeflocke:

Inspiriert wurde die Schneeflockenmethode von dem winterlichen Blumengewächs. Jeder, der schon mal eine Aufnahme von einer Schneeflocke unter dem Mikroskop gesehen hat, weiß, dass die Flocke klein anfängt, erst kurze Äste hat, die dann immer länger werden und sich immer weiter verzweigen, ineinander übergehen und dass das ganze Gebilde immer komplizierter wird.

Genau das ist das, was die Grundlage dieser Methode bildet.

Man geht von einem, kleinen, kurzen Element zu immer größeren, sich teilweise verflechtenden Elementen über und versucht alles abzudecken. Von Charakterbögen, über Charakterentwicklung, bis hin zur Kapitelstruktur und Spannungsbogen.

Den Ausgangspunkt bildet ein einziger Satz.

In diesem soll man seinen Roman, bzw. das Motiv, die Idee oder Botschaft der Geschichte unterbringen. Dieser dient als Orientierung, wenn man mal im Eifer des Gefechts vergessen hat, um was es bei der Geschichte geht, er kann aber auch als „Elevator Pitch“ oder als Augsgangspunkt für ein Expose verwendet werden, wenn man vorhat das Werk später einem Verlag anzubieten.

Sich der Schneeflocke zu bedienen ist kompliziert und zeitraubend, erspart einem später aber unter Umständen eine Menge Arbeit, wenn man vom Schreiben und von der Überarbeitung schon müde ist und mit dem eigenen Geschreibsel so durch ist, dass man es nicht mehr lesen möchte.

In Schritt zwei der Methode sind etwas mehr Wörter erlaubt. Den Grundgedanken der Geschichte, der in einem Satz zusammengefasst werden sollte, nimmt man und baut ihn zu fünf Sätzen aus. Wichtig: Diese Zusammenfassung muss bereits alle Katastrophen und das Ende der Geschichte beinhalten, aber diese müssen noch nicht weiter ausformuliert sein. Also einfach nur grob den Ablauf skizzieren, mehr nicht.

Im dritten Schritt kümmert man sich um die Hauptfigur und deren Motive und was oder wer ihn daran hindert, sein Ziel zu erreichen.

Ja, ich gebe zu, der Schritt ist verwirrend. Vorher war man immer mit der Struktur der Geschichte befasst, klar, die Figur gehört auch dazu, aber irgendwie erscheint Schritt drei unpassend, besonders wenn man sich ansieht, was in Schritt vier passiert.

Da kehrt man wieder zu den fünf Sätzen, die man in Schritt drei formuliert hat, zurück und erweitert diese auf etwa eine Seite. Wichtig ist, auch hier soll alles enthalten sein: die Katastrophe und das Ende und man beginnt sich an der drei Akt Struktur zu orientieren. Was die drei Akt Struktur ist?

Drei Akt und Fünf Akt Struktur:

Hier ist ein kleiner Exkurs von Nöten, denn ohne zu wissen, was die Drei Akt Struktur ist, kann man kaum mit der Schneeflocke weiter machen.

Die drei Akt Struktur kommt aus dem klassischen Drama und sieht die Unterteilung des Stücks in drei Abschnitte vor. In unserem Fall gibt es aber kein Stück, sondern eine Geschichte, die in drei Abschnitte: Anfang, Mitte und Ende, unterteilt wird.

Reichert man die drei Akte, um feste Wendepunkte oder aber Katastrophen an, die in den jeweiligen Abschnitten stattfinden (müssen), hat man die Drei Akt Struktur zu einer Fünf Akt Struktur erweitert.

Für welche der beiden man sich entscheidet, steht einem normalerweise frei. Manche Autoren brauchen keine Orientierungshilfen, werden sich deswegen für die Drei Akt Struktur entscheiden. Andere ziehen die erweiterte Drei Akt Struktur mit den eingebauten Wendepunkten vor. Egal welche man besser findet, wenn man seine Geschichte mit der Schneeflocke plant, muss man sich für die erweiterte Struktur entscheiden. Warum, dass sehen wir gleich, doch vorher noch die wichtigsten Schritte in der Akt Struktur:

Erster Akt:

Hat man die ursprüngliche Form der Drei Akt Struktur, dient dieser Abschnitt dazu den Leser mit der Umgebung, der Situation und den Figuren vertraut zu machen. Mehr ist in der Drei Akt Struktur nicht als Erklärung vorgesehen.

Erweitert man die Drei Akt Struktur aber auf die Fünf Akt Struktur, so kann man festhalten, dass am Ende des ersten Aktes die erste Katastrophe, das erste Problem, allgemeiner gesprochen der erste Wendepunkt eintritt, dass also etwas passiert, was die Situation, in der die Figur steckt, verändert. Gleichzeitig ist die Katastrophe der Übergang zum zweiten Akt.

Zweiter Akt:

Dieser läuft oft Gefahr zum langweiligen Teil einer Geschichte zu werden. In diesem Akt geht es nämlich darum zu zeigen, wie der Charakter kämpft, wie er versucht sein Ziel zu erreichen und was alles passiert, um das zu verhindern.

Klingt zuerst spannend doch oft genug nützt sich die Spannung schnell ab und es wird langweilig. Erschwerend hinzukommt, dass, wenn man die erweiterte Struktur nimmt, allein in diesem Abschnitt zwei weitere Wendepunkte liegen, die zwar an sich dafür sorgen sollen, dass der Leser weiterhin gespannt bleibt, aber oft den Eindruck vermitteln, die Figuren ertrinken in Problemen, was zu Frustration beim Leser führen kann, wenn so gar keine Hilfe in Sicht ist.

Eine Variante der Katastrophe auf Katastrophe Abfolge der Fünf Akt Struktur sieht vor, dass sich statt einer ersten Katastrophe im zweiten Akt eine Versöhnung oder Verständigung zwischen den Figuren abzeichnet. Nach dem ersten Problem, dass im ersten Akt aufgetreten ist, kommen die Figuren zu einer (vermeintlichen) Lösung. Der Leser bekommt das Gefühl vermittelt, dass die Hauptfigur das Heft nach dem Rückschlag wieder in der Hand hält, doch, bei der zweiten Katastrophe im zweiten Akt wird das wieder umgeworfen. Die Lösung stellt sich als Scheinlösung dar und die Spannung flammt wieder auf.

Dritter Akt:

Im dritten Akt kommt es zum Finale. Der Hauptcharakter droht in Problemen zu ertrinken, in der Regel tritt er hier seinem größten Kontrahenten direkt gegenüber und es endet in der vierten und letzten Katastrophe, die dann zum Endkampf wird. Der dritte Akt ist das Finale der Geschichte und Schlussakt.

Nach diesem kurzen Ausflug geht es zurück zur Flocke.

Die fünf Sätze werden nun also in die Drei, bzw. streng genommen, Fünf Akt Struktur gepresst und ausformuliert, die Katastrophen oder Wendepunkte genauer beschrieben, so dass man am Ende ungefähr eine Seite Romanhandlung vor sich zu liegen hat, bevor man im fünften Schritt wieder zu den Charakteren zurückkehrt und die Handlung der Geschichte aus Sicht des jeweiligen Charakters zusammenfasst.

Schritt Sechs:

In diesem Schritt wendet man sich wieder der Romanhandlung zu.

Diesmal erweitert man sie von einer Seite auf bis zu vier Seiten aus. Dabei gönnt man jedem Abschnitt, den man vorher beschrieben hat, bis zu einer Seite, bevor man sich in Schritt sieben wieder um die Figuren kümmert und erstmals Charakterbögen anlegt.

Doch diesmal beschränkt man sich nicht nur damit ständig zwischen den Figuren und der Handlung hin und her zu springen, sondern verbindet die beiden erstmals miteinander in dem man in die Zusammenfassung aus Schritt drei (die Zusammenfassung der Geschichte aus der jeweiligen Sicht der Figur? Wir erinnern uns? Oder auch nicht…) die für den Charakter wichtigen Daten und Macken einarbeitet, bevor man in Schritt acht anfängt, einzelne Szenen zu planen.

Dabei sollte man die jeweilige Szene kurz beschreiben, was passiert, wo sie spielt, wer alles auftritt und was das Ziel der Szene ist. Was wollen die Figuren erreichen? Wie werden sie daran gehindert?

Oft geht Schritt acht fließend in die Schritte neun und zehn über, wenn man Schritt acht ausführlich und detailreich plant.

Denn in Schritt Neun sollten die Szenen eigentlich rudimentär ausformuliert werden, damit sie in Schritt zehn komplett zu einer Rohfassung ausgeschrieben werden können. Oft ist es aber auch so, dass alte Hasen Schritt Acht und Neun zu einem Schritt zusammenfassen und besonders Schritt Neun überspringen und von ihren Stichpunkten für die einzelnen Szenen direkt zu einer Rohfassung des Werks übergehen.

Wie man hier deutlich sehen kann, ist die Schneeflockenmethode sehr aufwendig und detailreich. In sich aber auch total unlogisch, wie ich finde, weswegen ich nicht nach ihr arbeite. Ja, ich sag das so konkret.

Das ständige Hin und Her zwischen den Charakteren und den verschiedenen Zusammenfassungen verwirrt mich nur und ist oft auch nicht nötig.

Wenn ich mir einen roten Faden erarbeiten möchte, ziehe ich die Fünf Akt Struktur als Gerüst zur Orientierung vor. Ausgehend von meiner „Szenensammlung“ oder auch Kapitelsammlung, gucke ich, ob ich es diesmal von allein geschafft habe, die Spannungskurve im Hinterkopf zu behalten, wenn nicht, gehe ich eben die Szenen einzeln durch, verwerfe sie oder passe sie an. So bereinige ich den Wildwuchs meines roten Fadens und setze mich im Anschluss hin und formuliere die Stichpunkte aus.

Was die Charaktere angeht, so nutze ich oft entsprechende Charakterbögen, auf denen ich mir die wichtigsten Fakten zu den jeweiligen Figuren vermerkt habe, den Rest habe ich im Kopf.

Handelt es sich um eine besonders lange, aufwendige Geschichte oder aber um eine Fortsetzung, so mache ich etwas, dass ich Verlaufsplan nenne, der aber nur dann zum Tragen kommt, wenn ich Figuren habe, die sich unabhängig voneinander bewegen, bis sie in einer späteren Szene wieder aufeinandertreffen oder Daten und Zeitabläufe zu beachten sind. Um mal zu zeigen, wie so etwas aussehen kann, hier ein Beispiel aus „Hüter“, das mir geholfen hat, den Überblick zwischen den beiden Hauptcharakteren, den Nebencharakteren und den verschiedenen „Spielorten“ zu bewahren.

schnee2_500.jpg
schnee3_500.jpg

Mehr mache ich aber nicht.

Wem die Schneeflocke liegt, der mag so arbeiten, aber gerade für Anfänger, für die sie immer so angepriesen wird, halte ich sie nicht geeignet, da sie zum einen sehr zeitraubend ist, bei Anfängern ist die Motivation und Schreibroutine oft ein Problem und auch sehr verwirrend ist.

Warum muss ich zu meinen Charakteren zurückgehen, wenn ich doch gerade dabei war, meine Geschichte zu planen? Und sollte man die Informationen über seine Figuren nicht als Erstes sammeln und abspeichern?

Im Großen und Ganzen möchte ich also sagen, dass die Schneeflocke sicher eine der bekanntesten Methoden zum Ordnen von bereits vorhandenem Material ist, aber sie ist auch eine der verwirrendsten.

Im kommenden Artikel werfe ich einen Blick auf eine weitere Geschichtsstruktur oder Schreibmethode, wie Autoren sie gern nennen: Die Heldenreise.

Zurück
Zurück

Die Heldenreise

Weiter
Weiter

Pantser, Plotter und der rote Faden