Pantser, Plotter und der rote Faden

Wenn man in Deutschland Autoren zuhört, wird eine der Fragen sein, die fallen, ob das Gegenüber ein Pantser oder ein Plotter ist.

Für einen Außenstehenden mag das komisch klingen. Was sind Pantser und Plotter? Ist das eine Art Geheimsprache? Handelt es sich um übertragbare Krankheiten? Kann man sich dagegen impfen?

Nein, Pantser und Plotter sind keine Abkürzungen für ansteckende Krankheiten, doch über die Frage, welcher von beiden besser ist, ist die Schriftstellerwelt genauso zerstritten wie die Welt der Normalbürger, wenn es um die Frage: Impflicht, ja oder nein, geht.

Doch bevor ich abschweife, will ich lieber klären, was das ist, ein Pantser und ein Plotter.

Pantser:

Ich weiß nicht, ob der Begriff wirklich vom englischen „Pants“, also „Hose“ abgeleitet ist, aber es würde Sinn machen, wenn man sich überlegt, was ein Pantser ist, bzw. wie ein Pantser beim Schreiben vorgeht. Ein Pantser, im englischen Sprachraum „Discovery Writer“ genannt, ist jemand, der sich absolut keinen Plan macht, sondern sich so in das Projekt stürzt, wie wir uns früher in die Badeseen warfen. Wild, aufgeregt und ohne zwei Mal hinzusehen, weswegen Gegner dieser Arbeitsweise oft sagen, dass sich ein Pantser aufgrund mangelnder Vorbereitung später eben doppelt so lang auf seinen Hosenboden setzen muss, um die gleiche Leistung zu schaffen, wie ein Plotter sie erreicht hat. Oder anders ausgedrückt, Gegner der Vorgehensweise sind davon überzeugt, dass die Zeit, die der Pantser bei der Vorbereitung einspart, bei der Nachbearbeitung wieder reingesteckt werden muss.

Doch warum keinen Plan?

Fragt man einen Pantser, warum er sich vorher keinen genauen Plan macht, so wird der die Schultern zucken und mit etwas wie: „Er kann so nicht arbeiten“, oder aber „Er lässt sich gern vom Abenteuer mitreißen“, antworten. Manchmal kommt auch die Antwort, dass ein Pantser der Meinung ist, dass Geschichten, die ohne vorher festgelegte Grenzen geschrieben werden, einfach packender, besser sind, als die die wie am Reißbrett entstanden sind. Hier wird also gesagt, dass „Freilaufhaltung“ bessere Geschichten produziert, als etwas, dass von Anfang an auf ein Schema begrenzt war.

Ob die Freilaufhaltung allerdings am Ende wirklich zu besseren Geschichten führt und ob sich Plotter und Pantser Geschichten nach der dritten Überarbeitung des Erstentwurfs nicht doch gleichen, das bleibt dem Betrachter überlassen. Ich bin mir sicher, dass ich am Ende nicht unterscheiden könnte, ob einer Geschichte ein Erstentwurf zugrunde lag, der sich so frei entfalten konnte, wie er wollte oder ob der Erstentwurf nach einem Schema geschrieben wurde. Und das bringt mich zum Nachteil der Pantser Methode.

Ich habe es oben schon anklingen lassen: Ja, die Pantser Methode spart Zeit bei der Vorbereitung ein, da ein Pantser eben nicht wie ein Plotter seine Idee ausführlich überdenkt und dann in Strukturen aufteilt. Oft recherchieren Pantser auch nicht im Voraus, da sie oft auch nicht wissen, wo genau sie ihre Geschichte hintreiben wird. Hier machen sie ihrem englischen Namen „Discovery writer“ alle Ehre. Während sie schreiben, entdecken sie ihre Geschichte selbst und es ist wohl logisch nachvollziehbar, dass man, wenn man am Anfang selber noch nicht weiß, wo der Wind einen hintreiben wird, keine Kapitel planen kann.

Diese fehlende Struktur muss der Autor später bei der Überarbeitung nachholen und unter Umständen dabei zahlreiche lieb gewonnene und mühsam geschriebene Szenen herausschneiden, einfach weil sie den Rahmen sprengen oder weil sie nicht notwendig sind. Unter Umständen kann die Bearbeitung einer wild gewachsenen Geschichte sogar aufwendiger sein, als einer, die sich von Beginn an in eine gewisse Struktur fügen musste. Das muss man als Pantser natürlich wissen und mit einplanen, denn das Schreiben des Erstentwurfs mag zwar aufregend sein, die Überarbeitungsphase aber ist in der Regel anstrengend und fade und als Pantser kann man hier unter Umständen mehr Zeit einkalkulieren als der plottende Kollege.

Plotter:

Der Plotter ist das Gegenteil des Pantsers, wird auch gern als Streber oder Buchhalter belächelt, denn seine Planung, seine Recherchen lassen schon einen gewissen Beamtenstubenduft aufkommen. Ja, der Plotter schreibt nicht einfach darauf los, sondern nachdem er eine Idee hatte, fragt er sich zuallererst, was für eine Aussage die Geschichte haben könnte, dann plant er mit der Schneeflockenmethode die wichtigsten fünf Sätze, er legt die Charaktere an und plant ihre Entwicklung, die sie im Verlauf des Buches machen sollen. Und am Ende hat er sein Projekt bereits in einzelne Kapitel, teilweise sogar in einzelne Szenen unterteilt, von denen bereits Dialogmaterial vorhanden ist, bevor er sich an das endgültige Schreiben setzt.

Warum er das macht?

Weil er ein Freund der klaren Strukturen ist oder aber auch, weil er das Schreiben in seinen hektischen Arbeits- und Familienalltag integrieren muss und es sich nicht leisten kann Stunden über einem Projekt zu sitzen, während im Ofen die Brötchen verbrennen.

Ein Plotter schätzt die Vorteile, die seine Arbeitsweise mit sich bringt: Klarheit, er weiß immer, wo er aufgehört hat und wie es weitergeht. Auch später spart er dank der sorgfältigen Vorbereitung Zeit, denn er muss seine Geschichte nicht halb so zurechtstutzen, wie der Pantser. Lange Schreibpausen, weil er erst noch Recherche machen muss oder ein unvorhergesehenes Problem im Projekt aufgetaucht ist, gibt es nicht. Während der Pantser gern mal Tage darüber brütet, wie es weitergehen soll, weil er sich ins Aus geschrieben hat, kennt der Plotter seine Geschichte bereits im Voraus.

Auch ist er nicht auf die Muse angewiesen. Also zumindest nicht mehr, wenn er schreibt, denn zu dem Zeitpunkt ist bereits alles geklärt. Er muss die Stichpunkte, die grob angelegten Kapitel nur noch mit Leben füllen.

Bleibt die Frage ob die Methode Nachteile hat?

Ja, hat sie. In der Anfangsphase.

Denn ein Plotter muss seine Geschichte von Anfang bis Ende durchdenken, dann zusammenfassen und zumindest grob unterteilen, ehe er mit dem Schreiben beginnen kann. Und dafür braucht er Zeit. Zeit, in der seine Pantserkollegen schon die Tastatur glühen lassen. Auch kann es einem Plotter passieren, dass sich seine Figuren während des Schreibens als sperrig erweisen, nicht tun, was er für sie geplant hat. In so einem Fall nutzt einem die beste Struktur nichts und der Plotter hat die Wahl entweder hölzerne Dialoge und schlechte Szenen zu riskieren oder aber mehr oder weniger von vorn zu beginnen, weil er sich doch für eine ganz andere Richtung entschieden hat und wieder eine neue Struktur braucht.

Schwierig ist die Methode auch, weil man bei vielen Geschichten am Anfang noch nicht weiß, wo sie mal enden. Wie soll man damit umgehen? Warten, bis man die Geschichte von Anfang bis Ende kennt und planen kann? Oder das, was man hat mit Struktur versehen und gucken, was währenddessen und während des Ausformulierens passiert?

Ein reiner Plotter würde das nie so machen. Und ein reiner Pantser würde nie auch nur eine Szene aus der Mitte der Geschichte vorher schreiben, weil ihn das in eine Richtung führen würde. Doch, wie immer, in der Realität ist nichts in Reinform vorhanden. Auch nicht Schriftstellertypen.

Die meisten Schriftsteller sind ein Gemisch aus beidem.

Also auch ein Pantser wird bereits Szenen seines Buches im Kopf geplant haben, egal ob sie nun den Anfang oder aber die Mitte seines Projekts darstellen und ein Plotter wird auch nicht alles bis in das letzte Detail entworfen haben, so dass es hier noch genug Raum für Ungeplantes gibt.

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