#mybookchallenge - Frohe Weihnachten
Anbei ein paar Kapitel aus einer Weihnachtsgeschichte, die bei Charlotte und Thomas zu Hause spielt und die ich, anlässlich Weihnachten, vor ein paar Jahren geschrieben habe.
Kapitel 4:
Mit einem Ratschenden zerriss das mit goldenen Sternen bedruckte Geschenkpapier. Regan wischte die Reste, die nicht von selbst vom Geschenk abgefallen war, fort. Charlotte sah im Licht der gedimmten Wohnzimmerlampen und des Kerzenscheins, wie sich die Lippen ihrer Tochter bewegten, als die silbergraue Beschriftung auf der länglichen, weißen Box las.
„Für mich?“ Regans stimme überschlug sich, als sie den Aufkleber von der Schachtel fummelte, der als letzte Versiegelung gedacht war.
„Ein IPhone?“ Charlotte wusste nicht, wie sie Thomas zuerst anblicken sollte. Strafend, um ihrer Wut darüber Ausdruck zu verleihen, dass er Regan ein Geschenk gemacht hatte, das nicht mit ihr abgesprochen war oder glücklich, weil sie das Weihnachtsgeschenk für ihre Tochter als Ausdruck seiner Gefühle für sich selbst interpretieren wollte. Schließlich würde er niemandem, den er nicht oder nur wenig leiden konnte, ein Geschenk machen. Noch dazu ein so Teures.
„Wow! Das neue X Model! In Rotgold!“, hauchte Regan, die mit spitzen Fingern behutsam das kupfern schimmernde Telefon aus der Schachtel hob.
„In Rotgold?“ Charlotte sank aus ihrem Stuhl und kniete neben ihrer Tochter auf dem Boden, um einen besseren Blick auf das Gerät zu haben.
„Limited Edition“, kam es von Thomas, der die beiden vom Sofa aus beobachtete.
„Tatsächlich“, staunte Charlotte und nahm Regan das Telefon aus den Händen.
„Hey, Mum!“ Regan griff nach dem Gerät und versuchte es ihr abzunehmen, doch Charlotte hob nur den Arm und entzog es ihrer Reichweite.
„Das ist meins!“
„Na und? Jetzt lass mich doch auch mal“, sagte Charlotte, stand auf und starrte auf das schlanke Gerät, dessen immer noch kupfern glimmendes Metallgehäuse kühl und überraschend leicht in ihren Händen lag.
„Rotgold“, wiederholte sie und warf Thomas nun doch einen Blick zu. Weder den wütenden noch den glücklichen. Stattdessen einen von Unglauben geprägten.
„Wenn du mir nicht glaubst, dreh´s um. Auf der Rückseite sollte das Logo in Glitzersteinen nebst Regans Namen eingeprägt sein“, sagte Thomas.
„Echt?“, krähte Regan und langte nach ihrem Geschenk.
„Hey! Pass doch auf!“ Charlottes krampfte ihre Hand um das Telefon, dass fast zu Boden gefallen wäre, als Regan überraschend danach griff. „Wenn du nicht darauf aufpassen kannst, dann …“
Ein klagender Laut, der durch das Haus hallte, schnitt Charlotte den Satz ab.
„Danke!“, Regan, die nicht so verblüfft war, wie Charlotte, nahm ihrer Mutter das Telefon ab.
„Was war das?“ Charlotte drehte sich irritiert nach Regan um, die sich wieder neben den Baum setzte.
„Was war was?“, fragte Thomas.
„Dieser Laut!“ Diesmal musste Charlotte die Stimme heben, um das Klagen zu übertönen, das lauter als beim ersten Mal durch das Haus drang.
„Das? Wasserleitungen?“, schlug Thomas vor.
Regan zuckte nur die Schultern.
„Die Wasserleitungen? Ach, Quatsch“, sagte Charlotte und lauschte in die eingetretene Stille hinein, ob das Geräusch noch mal auftreten würde.
„Die Wasserleitungen haben noch nie solche Geräusche gemacht und wir leben seit fast einem Jahr hier. Warum sollten sie also ausgerechnet jetzt damit anfangen? Der Besinnlichkeit wegen?“ Charlotte stemmte die Hände in die Hüften und runzelte die Stirn.
„Dann werden es wohl die im Nachbar …“
Ein drittes Jaulen tönte durch das Haus. Kläglicher noch als die anderen beiden zuvor.
„Das sind nie und nimmer Wasserleitungen!“Charlotte nahm die Hände von den Hüften und lief in die Küche, immer dem Geräusch folgend.
„Nein, nicht unsere. Die der Nachbarn.“ Thomas, der ihr dicht auf den Fersen war, holte sie in der Küche ein und legte ihr einen Arm um die Schulter und drehte sie zu sich herum.
„Die der Nachbarn?“ Charlotte zog eine Augenbraue fragend hoch. „Welche Nachbarn meinst du denn? Die links von uns, die die Weihnachtsferien in Aspen verbringen oder die Rechts von uns, die Weihnachten in ihrem Ferienhaus auf Mallorca verleben?“
„Ähm … naja …“ Thomas Suche nach einer passenden Antwort wurde von einem weiteren Jaulen, dem etwas wie ein Bellen folgte, unterbrochen.
„Wasserleitungen!“, rief Charlotte, schüttelte Thomas Griff ab und stapfte in den Flur, wo ihr das Jaulen deutlicher als in der Küche entgegenschlug.
„Und das ist auch nicht im Nachbarhaus!“, rief sie Thomas, der ihr gefolgt war, über die Schulter zu. „Das kommt aus Regans Zimmer.“ Als sie auf den Flurlichtschalter hieb, flackerte das Licht kurz und flammte dann in kaltem Weiß. Charlotte für einen Moment geblendet, blieb stehen, dann stapfte sie weiter zur Treppe.
„Regan!“ Thomas rief nach ihrer Tochter. „Lotte, warte!“
„Ja?“ Regan, ihr Geschenk in der Hand, kam in den Flur gerannt. „Was ist?“
„Das wüsste ich auch gern mal!“, rief Charlotte. „Und deswegen gehe ich jetzt da noch oben …“
Schnell war Thomas an ihr vorbei und versperrte ihr den Weg. „Nein, warte. Da gibt es noch was zu klären“, sagte er und mit einem Blick an Regan gewandt fügte er hinzu: „Wir sind aufgeflogen.“
Charlotte kniff die Augen zusammen. „Was soll den das heißen? Ihr seid aufgeflogen. Verdammt, lass mich vorbei!“ Sie schob Thomas aus dem Weg und zwängte sich an ihm vorbei, die Treppe hoch.
„Charlotte! Jetzt warte doch mal!“
„Mum! Warte!“
Doch Charlotte hatte schon die Klinke der Kinderzimmertür gedrückt.
Als die Tür aufschwang, war das Erste , das Charlotte sah, ein Chaos aus Kleidern, Büchern und Papier. Überall lagen Fetzen von Pullovern, Hosen, irgendwo herausgerissene Bücherseiten, Papier verteilt. Auf dem Bett, um das Bett herum. Die Türen des Schranks standen offen und daraus quollen weitere Sachen hervor, von denen Charlotte mit Sicherheit wusste, dass sie sie ordentlich eingeräumt verlassen hatte. Das Bett unter der Dachschräge, dass frisch gemacht war, als sie den Raum das letzte Mal betreten hatte, war zerwühlt und in seiner Mitte, hier blinzelte Charlotte, weil sie glaubte, ihre Augen spielten ihr einen Streich, in seiner Mitte, breitete sich etwas Gelbes aus, dass sie an eine Wasserpfütze erinnert hätte, wäre es eben nicht gelb gewesen.
„Was zur Hölle?“, flüsterte sie und blickte zur Dachschräge hinauf, um zu überprüfen, ob es durchregnete.
Mit ihrem Fuß stieß Charlotte die Tür etwas weiter auf und ein Quietschen erklang. Charlotte zuckte zusammen.
„Was bitte ist das denn?“, rief sie.
Hinter der Tür schob sich ein Paar schwarzer, großer, traurig blickender Augen hervor. Eine zuckende Nase und dann ein paar Schlappohren, mit schwarzem, lockigem Fell.
Hinter ihr kam Thomas keuchend zum stehen.
„Es ist nicht das was du denkst!“
Charlotte wandte sich ihm zu und funkelte ihn an. „Oh, ich weiß nicht, aber ich denke es ist genau das was ich denke, das es ist!“