Leben um zu Arbeiten? Arbeiten um zu Leben?
Seit ein paar Monaten stehe ich wieder voll im … wie sage ich das jetzt? Ich stehe wieder im „normalen“ Berufsleben? Mit einem „normalen“ Job, in einer „normalen“ Firma?
Eigentlich möchte ich das gar nicht sagen, denn, wenn ich meinen „Brotjob“ als „normalen“ Job bezeichnen würde, hieße das indirekt, dass ich die Schreibarbeit, die ich jetzt noch mache und die ich seit Jahren davor gemacht habe, zu einem „unnormalen“, Beruf, quasi zu einer Art Ausnahmezustand, degradieren würde und das geht mir gewaltig gegen den Strich.
Na toll, der Artikel hat noch nicht einmal richtig begonnen und schon haben wir eine Breitseite des Fragenkomplexes abbekommen, der mich in den letzten Wochen umtreibt:
Was ist Arbeit?
Und was ist richtige Arbeit?
Und warum darf Arbeit keinen Spaß machen?
Beziehungsweise, warum wird Arbeit nicht Ernst genommen, wenn sie Spaß macht?
Das ist nämlich der Eindruck, den ich habe, seitdem ich wieder „normal“ arbeite.
Aber definieren wir erst einmal, was ich unter „normal“ arbeiten verstehe und warum ich mich so sträube diese Definition für mich anzunehmen.
„Normal“ Arbeiten
„Normal“ Arbeiten ist das, was wohl die meisten Menschen in ihrem Leben erfahren, wenn es um das Thema Arbeit geht.
Arbeit ist etwas, für das man gewisse Qualifikationen (Ausbildung) braucht, für das man morgens das Haus zu einer festgesetzten, nicht freigewählten, Zeit verlässt, um dann an einem anderen Ort, oft Büro genannt, unter dem Kommando von jemand anderem, höherrangigen um die vierzig Stunden Probleme zu lösen, die man ohne diese Arbeit nicht hätte. Oft ist man dabei umgeben von Kollegen und Kolleginnen, die, wenn man Glück hat, nett sind. Am Ende des Monats bekommt man Geld für die vierzig Stunden die man abgeleistet hat, was dann wiederum dafür verwendet wird, um die Miete, die Strom- und Gasrechnung zu zahlen und sehr, sehr viel legale Drogen zu kaufen, die über den Schmerz und die Verzweiflung hinweghelfen sollen, die man ohne diesen „normalen“ Job ebenfalls nicht hätte. Nur ein Scherz, aber ich denke, ihr versteht, was ich sagen möchte?
Als „unnormal“ hingegen gelten andere Lebensmodelle, die nicht so eine Art der Arbeit vorsehen. Zum Beispiel die von Selbstständigen oder im Home office arbeitenden Leuten, die weder unter eigenartigen Kollegen, noch unter einem cholerischen Chef leiden, die sich ihre Arbeitszeiten (angeblich) legen können, wie sie wollen und daher weniger eingeschränkt in ihrem Leben erscheinen, als der „normale“ Arbeitnehmer, der ja sehr viel vorgeschrieben bekommt.
Und genau das bringt uns auf meine zweite Frage: Was ist richtige Arbeit?
Oft habe ich den Eindruck, wenn die beiden Formen der Arbeit, die normale und die unnormale, aufeinanderprallen, herrscht bei den normalen Arbeitnehmern sowohl Neid, als auch die Überzeugung vor, dass das, was die anderen machen keine „richtige“ Arbeit sei.
Richtige Arbeit wiederum bedeutet, Arbeit, die schwer ist, die anstrengend ist, die kompliziert ist und (leider) auch Arbeit, die man nicht freiwillig, nur ungern macht. Womit wir bei der dritten Frage wären, die immer damit verbunden ist: Warum darf Arbeit keinen Spaß machen?
Ich selbst bin in meinem Leben oft zwischen „normaler“ und „unnormaler“ Arbeit gependelt. Sei es, weil ich es so wollte oder weil mein Leben es gerade so hergab. Doch egal wann ich „unnormale“ Arbeit gemacht habe, die Reaktionen meines Umfelds waren immer die gleichen darauf:
Erstaunen, Neid und Niedermachen.
Erstaunen und Neid sind noch die besten Reaktionen, die man bekommen kann, wenn man sagt, man arbeitet für sich selbst und von zu Hause aus.
Niedermachen jedoch ist die wesentlich häufigere Reaktion die es gibt, und die (vermutlich?) aus dem Neid heraus entsteht, denn was „unnormale“ Arbeit angeht gibt es nach wie vor viele Vorurteile.
Oft ist es so, dass man nur die guten Seiten eines solchen Arbeitslebens sieht. Wie zum Beispiel die oben erwähnten, dass man sich seine Zeit frei einteilen kann und nicht unter einem cholerischen Chef mit viel Druck arbeiten muss, schließlich ist man selbst der eigene Chef. Außerdem nimmt man an, dass Selbstständige nur das arbeiten, was ihnen Spaß macht. Schwere, unangenehme Aufgaben hingegen sollen sie oft meiden.
Überspitzt gesagt, bekommen Selbstständige oft zu hören, dass sie gegen Mittag aufstehen, in Ruhe ihr Käffchen trinken und sich dann mal, ganz gemächlich, an ihre Arbeit setzen und schaffen, bis sie keine Lust mehr haben, um es sich dann irgendwo gut gehen zu lassen. Noch entspannter wäre nur noch der Ruhestand. Es herrscht die Auffassung leichter könne man sein Geld nicht verdienen.
Dass Selbstständige oft länger arbeiten, als ein „normaler“ Arbeitnehmer, weniger bezahlt bekommen und ständig auf der Suche nach neuen Aufträgen sind, wird gern ignoriert. Ebenso die Tatsache, dass sie oft höhere Abgaben zahlen müssen, weil sie überall selbst versichert sind, dass ihr Einkommen alles Mögliche, aber nicht stabil ist, was oft zu Existensängsten führt, die ein „normaler“ Arbeitnehmer nicht kennt. Also, das Leben als „unnormal“ Arbeitender ist bei Weitem nicht das Paradies, wie es immer behauptet wird, trotzdem hält sich hartnäckig die Auffassung dem sei so und dass es keine richtige Arbeit sei, was solche Leute, tun, denn: sie arbeiten in einem Feld, dass sie sich selbst ausgesucht haben und dass ihnen Spaß macht.
Was mich wieder zu der dritten Frage bringt: Warum darf „richtige“ Arbeit keinen Spaß machen?
Dieser Artikel ist zum Teil daraus entstanden, dass ich, ich gebe es ehrlich zu, in meiner „normalen“ Arbeit nicht wirklich Spaß habe. Und meinen Erfahrungen nach habe ich es auch nie anders erlebt. Da mich das stutzig gemacht hat, habe ich in meinem Familien- und Bekanntenkreis herumgefragt, ob es noch anderen so ginge. Dass ich keinen Spaß an und auf der Arbeit habe kann ja auch an mir liegen. Weiß man´s?
Ja, in der Zwischenzeit weiß „man“ es schon und die Bilanz die ich ziehen kann ist erschreckend. Die meisten Leute scheinen keinen Spaß an ihrer Arbeit zu haben und es auch nicht zu erwarten. Ist man anderer Auffassung, wird man angesehen, als habe man die Pest, was doch eigentlich schade und dumm ist. Immerhin verbringt man vierzig Stunden mit dem Zeug. Sollte man dann nicht mit Fug und Recht behaupten können, man wolle etwas machen, das man gern macht? In einer Umgebung in der man sich wohlfühlt?
Nein, im Normalfall wird die Tatsache, dass man sich mit etwas beschäftigt, dass keinen Spaß macht, einfach hingenommen. Weswegen gerade die, die Spaß an dem, was sie tun, als so eigenartig angesehen und insgeheim beneidet werden. Weswegen man sie und ihre Leistung unbedingt kleinreden und belächeln muss.
Was wieder zur zweiten und ersten Frage zurückführt, nämlich: was ist Arbeit?
Nur weil ich etwas gern mache, heißt dass doch nicht, dass mir dabei keine Probleme begegnen.
Zum Beispiel das Schreiben und Bloggen. Ich mache das gern. Dennoch heißt das nicht, dass es mir nicht schlaflose Nächte bereitet. Daher verstehe ich den Gedankengang, dass diese Arbeit keine „richtige“ Arbeit sei nicht. Ist Arbeit nicht immer Arbeit, wenn jemand Hirnschmalz, Zeit und Kraft, vielleicht sogar Geld investiert? Egal wofür? Wie lange werden wir noch brauchen, um das zu akzeptieren und es in Mode zu bringen, dass sich jeder für das entscheiden kann, was er oder sie gern möchte, auch wenn das heißt, dass man „nur“ ein Schriftsteller oder „nur“ ein Kindergärtner ist? Würden wir nicht alle davon profitieren, wenn jeder Spaß an seiner Arbeit hätte? Burn out und Depressionen, auch verursacht durch den Job, sind inzwischen in aller Munde, trotzdem scheint die Auffassung, dass Arbeit mehr sein kann als nur Stempeln, Lochen, Abheften, sich in Deutschland noch nicht durchgesetzt zu haben.
Ganz ehrlich? Warum ist Arbeit, bei der ich mir meine Zeit nicht frei einteilen kann und ich offensichtlich jemand anderem Rechenschaft schuldig bin, höher angesehen als zum Beispiel Arbeiten im Home Office, sei es weil noch Kinder oder zu pflegende Angehörige versorgt werden oder aber einfach weil man es gern möchte oder das Arbeiten als Selbstständiger, bei dem man seinem Auftraggeber Rechenschaft schuldig ist? Das will mir einfach nicht in den Kopf. Arbeitsmoral hin oder her, aber warum muss man sich zum Märtyrer machen, um ernst genommen zu werden?