Joggen für Anfänger

Mit federnden Schritten lief er durch den Park. Immer auf der Suche nach irgendwem den er durch seine geschmeidigen Bewegungen und seine Laufkünste beeindrucken konnte. Aber es war wie verhext. Trotzdem das Wetter gut war schien heute einfach niemand joggen zu wollen. Bis vor einiger Zeit noch hatten auf der Bank am unteren Ende des kleinen Rondells zwei junge Frauen gesessen. In vollem Laufoutfit. Aber, als er das dritte Mal an ihnen vor beigesprungen kam und sie auffordernd angrinste, kicherten sie nur wie die Schulmädchen. Als er das nächste Mal an der Bank vorüber lief war sie leer.“Blöde Schnepfen.” dachte sich Johannes. “Im vollen Ornat im Park rumsitzen und sich über die Leute lustig machen die trainieren.” Er lief weiter, atmete scharf ein und ein stechender Schmerz machte sich in seiner Seite bemerkbar. Noch versuchte er ihn zu ignorieren, als er zu einer weiteren Runde durch den kleinen Park ansetzte. Doch nach dieser kurzen Runde blieb er stehen und stemmte die Hand in die Seite um den aufkommenden Schmerz wegzurücken.

Kurz blieb er stehen. “Seitenstechen.” dachte er und suchte mit den Augen den Park ab. “Dort auf der Bank..Ist das etwa?” Er kniff die Augen zusammen um besser sehen zu können. “Du hättest deine Brille mitnehmen sollen. Oder zumindest die Kontaktlinsen!” schalt er sich selbst. “Dann müsstest du jetzt nicht wie ein Volltrottel hier rumstehen und in die Ferne stieren. Wie sieht denn das aus?”. Er machte ein paar tiefe Atemzüge gegen das Stechen in der Seite. “Wenn das nun wirklich was ist. Setz dich wieder in Bewegung! Los! Du willst doch einen guten Eindruck machen!”. Mit schweren Beinen und langsamen Bewegungen kam er wieder in Trab. “Brust raus!” herrschte ihn seine innere Stimme an. “Du hängst hier durch wie ein Schluck Wasser in der Kurve.”. Das Stechen in der Seite, dass sich kurz beruhigte hatte, flammte wieder auf. Mit jedem Mal wo er einen Fuß auf den Boden aufsetzte durchzuckte es seine Eingeweide.“ Sei nicht so eine Memme!” brodelte es in ihm. “Du weißt doch was auf dem Spiel steht.”. Johannes presste die Lippen fest aufeinander. Ja, er wusste um was es ging. Jetzt wo er der Bank immer näher kam stand es ihm wieder deutlich vor Augen. “Sehr schön. Und jetzt langsam ZickZack Kurs auf das Ziel einschlagen.”. So leichtfüßig wie möglich lief er auf die Parkbank zu. “Nur nicht so schnell. Oder willst du zu verzweifelt wirken?” warnte die Stimme in seinem Kopf. “Am besten du läufst erst noch an ihr vorbei und dann bei der zweiten Runde setzt du dich neben sie!” zischte die Stimme. “Unmöglich.” dachte Johannes. “Bin zu sehr außer Atem. Außerdem, Seitenstechen…”.
Mit einer etwas ungelenken Bewegung ließ er sich neben der jungen Joggerin auf die Bank fallen. Sie drehte den Kopf um zu sehen, was sich da gerade mit neben ihr hatte fallen lassen. Müde rang er sich ein Lächeln ab, von dem er hoffte es möge nett wirken und seine Müdigkeit lügen strafen. “Hi.” presste er hervor. Die dunklen Augen der jungen Frau streiften ihn nur kurz. “Hallo.” gab sie zurück und wandte sich dann ab. Johannes schwieg eine Weile und versuchte wieder zu atmen zu kommen. Bis er schließlich sagte: “Tolles Wetter heute.”. Das Mädchen reagierte nicht. Johannes beugte sich etwas nach vorn, die Ellenbogen auf seine mageren Knie gestützt um unter ihrer Haarflut ihr Gesicht auszumachen. “Schönes Wetter heute!” sagte er dann lauter. Das Mädchen neben ihm zuckte zusammen. Dann griff sie nach ihren Ohren und zog die Kopfhörer heraus. Überrascht blickte sie ihn an.
“Haben sie was gesagt?” fragte sie. Johannes atmete erleichtert auf. “Nein.. Nur das heut schönes Wetter ist.” meinte er. Die junge Dame warf einen Blick in den Himmel. “Ja.” gab sie dann zurück und wollte sich die Hörer wieder in die Gehörgänge rammen. “Also, wenn man laufen möchte.” kam er ihr zuvor. Das Mädchen ließ die Hände sinken. “Sicher…” meinte sie. Johannes, zufrieden darüber ihre Aufmerksamkeit zu haben, grinste ihr aufmunternd zu. “Klasse Schuhe.” sagte er und deutete auf ihre teuer und noch neu aussehenden Laufschuhe. “Die sind bestimmt richtig gut.”. “Ja.” antwortete sie nur einsilbig. “Das sind die besten die man kriegen kann. Wussten sie das?”. Darauf antwortete sie gar nicht, sondern starrte ihn nur irritiert an. “Klar wussten sie das.” meinte Johannes etwas leiser. Dann setzte er sich aufrecht hin. “Mit den Schuhen nehme ich an, dass sie gern laufen. Sind sie öfters hier?” erkundigte er sich jetzt. Das Mädchen ließ den Blick zu seinen blitzenden Schuhen gleiten. Und dann wieder zu ihm zurück. Johannes rang sich noch ein Lächeln ab. “Äh nein.” sagte sie dann fest. “Sehe ich denn so aus?”.  Johannes blinzelte etwas. “Ja ich weiß nicht..” wich er ihr unsicher geworden aus. “Also die Schuhe und die Hosen…” versuchte er sich zu rechtfertigen. “Da dachte ich sie machen das öfters. Man invertiert ja nicht so viel Geld, wenn man das nur ein oder zwei Mal pro Monat schafft.” erklärte er. “Deswegen nahm ich an sie wären öfters hier.”. Er zuckte die Schultern und machte eine entschuldigende Miene. Das Mädchen sah ihn aufmerksam an. “Sie haben Recht.” sagte sie nach einer Weile fest. “Ich gehe tatsächlich gern joggen.”. Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen. “Toll.” täuschte Johannes Freude vor, denn irgendwas an der Art wie sie das sagte und wie sie sich verhielt stimmte nicht. “Das ist gut. Laufen ist gut.” stammelte er. “Gut für die Gesundheit. Da kommt man mal raus. An die frische Luft.”.
Er schlug sich innerlich gegen die Stirn. Was faselte er da eigentlich? Gut für die Gesundheit? Frische Luft? War er komplett übergeschnappt? Er grinste dämlich. “Dann kommen sie doch hier öfters her?” unternahm er einen letzten Versuch ein Gespräch zu führen als er merkte, dass sie wieder dabei war sich abzuwenden. Sie schürzte die Lippen.”Mal mehr mal weniger.“ sagte sie. "Wie es sich gerade eben ergibt. Sie kennen das ja.”.
“Ja.” stimmte er zu. “Mir geht es nicht anders.” beeilte er sich  zu sagen. “An manchen Tagen, da packt es mich und ich muss einfach laufen gehen. Und dann wieder mache ich über Wochen nichts. Dabei ist es so gut gegen meinen Stress.”. Er legte einen Arm auf die Lehne der Bank und beobachtete das Mädchen aus den Augenwinkeln, während er vorgab auf die Spatzen am Springbrunnen zu schauen. “Pustet einem das Hirn frei.”.
Das Mädchen sagte nichts.
“Wobei, nicht nur das laufen. Sport allgemein wirkt gut dagegen.” faselte er weiter und ließ sie nicht aus den Augen. Bisher hatte sie ihre Ohrstöpsel immer noch in der Hand. Noch war nicht aller Tage Abend. “Und bei ihnen?” versuchte er sie aus der Deckung zu locken.
“Was ist mit mir?” “Naja, hilft das Laufen auch gegen den Streß?”. Er bemühte sich unaufdringlich zu wirken.
“Je nachdem.” antwortete sie. “Bewundernswert.” seufzte Johannes.
“Was?” fragte das Mädchen.
“Ihre Disziplin. Immerhin scheinen sie doch mehrmals pro Wochen laufen zu gehen.”. Er malte mit seinen Füßen Muster in den Sand. “Ich wünschte ich könnte das auch von mir behaupten. Aber ich bin meißt so beschäftigt, dass ich keine Zeit dazu haben oder keinen Kopf. Leider.”. Er seufzte tragisch und sah einer Gruppe Frauen zu, die an ihnen vorüber liefen. Als er sie mit einem Lächeln und Kopfnicken grüßte fingen sie an zu kichern wie die Schulmädchen.
“Und glücklich macht laufen offenbar auch.” bemerkte er fröhlich zu seiner Gesprächspartnerin.  

“Ach, meinen sie wegen denen da, die sich so amüsieren?” hakte diese nach. “Ja, der wohltuende Effekt des Sports.” strahlte Thomas sie an.
Das Mädchen schwieg eine Weile. Nur um dann zu sagen: “Ich glaube kaum, dass das der Effekt des Sports ist. Und das sie nicht den Kopf dafür haben joggen zu gehen, dass glaube ich ihnen auch.”.
“Tatsächlich? Aber warum?” wunderte er sich.
“Jemand der so damit beschäftigt ist sich zu prügeln und dann am nächsten Tag mit einem fetten Veilchen noch die Dreistigkeit besitzt Fremde anzumachen, der muss schon sehr in anderen Welten leben, um sich das leisten zu können.” kicherte sie und erhob sich von der Bank. Mit einer fließenden Bewegung steckte sie sich die Ohrstöpsel in die Ohren und zwinkerte ihm dabei zu.
“Ja aber…” stammelte Thomas und sprang hastig auf. “Aber das muss doch noch nichts heißen.” rief er ihr hinterher als er ihr hinterher zu laufen begann. “Das ist sonst nicht meine Art. Das kann ich ihnen versichern.” rief er. Aber alles was er als Antwort bekam war ihr Lachen. “Wirklich, ich …” so langsam begann ihm die Puste auszugehen. Er würde sich für eines von beiden entscheiden müssen. Entweder rennen oder aber schreien. Entmutig blieb er stehen. “Na toll…” murrte er und er stützte die Hände auf die Knie.

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Fast fertig

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