“Einen Schritt nach dem anderen…”
Das dürfte wohl das sein, was ich mir in den letzten Wochen gefühlte tausend Mal pro Tag gesagt habe. Was soll ich sagen? Es ist jedes Mal das Gleiche. Kaum habe ich mich hingesetzt um einen Text zu überprüfen und zu verbessern fängt es an mich in den Fingern zu jucken. Während ich auf den Bildschirm starre, mich durch meinen Text arbeite und Fehler für Fehler ausmerze, sind sie da die Gedanken. “Du könntest ja auch gleich noch Projekt X oder Text Y mitmachen. Dann kannst du den demnächst auch noch veröffentlichen? Wäre doch ganz passend. Ausserdem liegen die Sachen schon so lange rum….” So oder so ähnlich geht es den ganzen Tag. Und bevor ich mich versehe, wälze ich schon Pläne und komme mit Ideen für Covergestaltungen. Spätestens ab dem Punkt hat sich der Wahnsinn eingeschlichen. Spätestens ab dem Punkt muss ich meine Unruhe in die Schranken weisen. Denn es ist ein Riesenschritt von einem katastrophalen Text bis hin zum fertigen Manuskript, das sich sehen lassen kann. Allein um einen Text fehlerfrei zu machen braucht es seine Zeit. Das gilt besonders für einen langen Text, den man lange nicht mehr in der Hand hatte. Etwas das genau auf mein nächstes Projekt zutrifft.
Es handelt sich um eine Geschichte, die ich irgendwann mal angefangen habe. Sie ist weder gut, noch schlecht. Ich meine mich zu erinnern, dass sie einige richtig gute Szenen beinhaltet. Allerdings ist die Geschichte irgendwann aus dem Ruder gelaufen. Dann hat sie Wendungen angenommen, die so nicht geplant waren und spätestens ab dem Punkt habe ich angefangen sie als eine Art Experimentierfeld zu nutzen. Irgendwann hatte ich keine Zeit mehr und musste das Projekt leider beiseite legen. Was mich also erwartet ist eine rauchende Ruine. Vermutlich voll von Tretminen. Mein Vorteil ist: Ich weiß noch ungefähr um was es sich handelte. Ich kenne die Figuren und ihre Macken, wie sie zueinandern stehen. Nicht zuletzt auch, weil es sich um einen Folgeband einer Geschichte handelt. Ich habe also den Vorteil schon einige Zeit mit meinen Charakteren verbracht zu haben. Das und das ich einen groben Überblick darüber habe, was bisher geschehen ist, erleichtert mir den Zugang natürlich etwas.Problematisch sind aber besagte Tretminen. Die muss ich ausmerzen. Leider ist meine Zeit begrenzt. Ich muss also einen Weg finden, wie ich im Schnellverfahren die Geschichte etwas reiner kriegen kann, ohne, dass ich ins Detail gehen muss. Für einen solchen Fall hat sich die Triage Methode von Sol Stein bewährt. Entdeckt habe ich diese durch den Blog von Matthias Czarnetzki. Abgeguckt ist sie von der Notaufnahme in Krankenhäusern. Der in der Notaufnahme ankommende Patientenstrom wird in drei Kategorien aufgeteilt:
1. Der Patient stirbt. Also lass ihn liegen.
2. Der Patient ist stabil und kann sich selbst helfen.
3. Der Patient steht auf der Kippe. Er muss in den OP
So wie der Patientenstrom aufgeteilt wird, geht man auch bei den einzelnen Szenen vor. Ich für meinen Teil habe das etwas verallgemeinert. Da ich erstmal einen großflächigen Kahlschlag haben möchte, um das Werk zu bereinigen, habe ich für mich zwei Kategorien angelegt:
1. Er ist tot Jim!
2. Das wird übernommen.
Im ersten Fall übernehme ich das Kapitel nicht. Es ist so schlecht, dass ich mich frage warum ich das ursprünglich mal geschrieben habe. Deswegen bekommt es klar die rote Karte und fliegt raus.
Im zweiten Fall ist das Kapitel gut oder durchwachsen. Ich weiß ich muss Änderungen daran vornehmen. Aber von der Idee her macht es Sinn. Es zeigt wichtige Charakterzüge der Protagonisten, etwas wichtiges für die Geschichte ereignet sich in ihm, es verdeutlicht, wie die Figuren zueinandern stehen. Auf jeden Fall muss es erhalten bleiben. Nur mit dem was in dem Kapitel steht kann der Leser die Geschichte verstehen.
Eine weitere Änderung die ich für meine Bequemlichkeit vorgenommen habe ist, für jedes gelesene Kapitel eine kurze Zusammenfassung zu schreiben und sie in eine “Zeitleiste” einzufügen. Ebenso wie die farbige Kennzeichnung, wessen Sichtweise in dem jeweiligen Kapitel vorkommt. Ich weiß, viele Autoren sehen Perspektivwechsel ungern. Lieber würden sie ein Picknick in der Hölle veranstalten, als so etwas in ihren Werken zu tolerieren. Ich hingegen liebe sie. Denn oft machen sie dem Leser Informationen zugänglich, die er nicht haben könnte, würde die Geschichte nur aus der Sicht einer einzigen Figur geschildert werden. Ausserdem verleiht ein Perspektivwechsel einer Geschichte mehr Objektivität, als wenn nur ein Charakter zu Wort kommen würde. Dennoch können diese Sprünge verwirren. Besonders, wenn man sich erst wieder in die Geschichte hineinfinden muss. Deswegen für einen schnellen Überblick die Zusammenfassung mit allen wichtigen Informationen.
Durch dieses Vorgehen hoffe ich die Geschichte einerseits kürzen und mir einen erneuten Überblick und Wiedereinstieg verschaffen zu können. Danach will ich in die Feinarbeit gehen.
Aber, dass ist erst dann möglich, wenn ich etwas mehr Zeit habe. Also erst dann, wenn ich das Lektorat für das eine Projekt abgeschlossen habe. Bis dahin muss ich wohl versuchen meine “Schreibwut” mit dem zu befriedigen, was ich auf die Schnelle machen kann.