Vollzeitautorin - schreibst du schon oder brotjobbst du noch?

Seid ihr Vollzeitautor*in?

Nein?

Nicht traurig sein, ich bin es auch nicht. Die meisten von uns sind es nicht, wie eine kleine Umfrage auf Twitter mal ergeben hat. Auch wenn viele es sehnlichst gern wären. Was die Umfrage auf Twitter ebenfalls ergeben hat. Allerdings können es sich nur die wenigsten von uns leisten, sich Vollzeit auf das Schreiben einzulassen. Die meisten von uns müssen ihr Herzblut neben dem nervigen Brotjob vergießen, um das Essen, die Miete, den Wein und die Pacht für das teure Autorencottage in den Cotswolds zu zahlen. Meins hört übrigens auf den schönen und gar nicht klischeehaften Namen Hirondelle. Kleiner Scherz. Ich habe kein Cottage, weder in den Cotswolds noch in Brandenburg. Ich bin eine von vielen, die zwischen dem Brotjob und dem, was sie gern tut pendelt und im Stillen davon träumt eines Tages vielleicht nur das eine machen zu können.

Warum?

Weil es einfach einfacher ist?

Wäre die offensichtlichste Antwort oder?

Und nur einer von vielen Vorteilen, die das Leben als Vollzeitautorin mit sich bringen würde.

Abgesehen davon, dass natürlich auch dieses Dasein seine Nachteile hat. Denn es muss ja immer einen Nachteil geben.

Aber was genau sind denn die Vor- und Nachteile?

Lasst uns doch mal mit den Vorteilen anfangen. Schließlich sind die immer das Erste, dass einem einfällt, wenn man an das Leben als Vollzeitautor*in denkt. Also, was ist der erste und offensichtlichste Vorteil den man als Vollzeitautor*in hat?

Man tut etwas, für das man brennt. Man tut etwas, dass man liebt.

Und genau das wiederum sorgt für einen kräftigen Motivationsschub, der sogar die Probleme, die beim Schreiben durchaus auftauchen können, als interessante Herausforderungen daherkommen lässt. Alles, was früher nervtötend war, was einen geschlaucht hat, auf einmal ist es aufregend, neu und bringt einem mehr Energie, als dass es einem Energie raubt.

Wenn man als Vollzeitautor*in unterwegs ist, fühlt sich alles anders an. Wenn man für sich selbst und sein eigenes „Baby“ arbeitet, geht man viel motivierter selbst an alltägliche Sachen heran, als man es für jemand anderes tun würde/ getan hat.

Ein weiterer Vorteil ist die freie Zeit- und Ortseinteilung.

Du kannst arbeiten wann und wo du willst. Ob du ein Nachtmensch oder Frühaufsteher bist, ob du einen ausgedehnten Mittagsschlaf brauchst, um das Tief gegen zwölf Uhr zu überstehen, es ist dir überlassen, wie du deinen Arbeitstag gestaltest und auch von wo aus du arbeitest. Wenn du Ruhe zum Schreiben brauchst, kannst du in der Bibliothek schreiben. Du brauchst das Stimmengewirr, das Klirren von Tassen und Gurgeln der Kaffeemaschine? Dann ab ins Café.

Auch das Arbeitspensum bleibt dir selbst überlassen.

Schreiben ist kein nine to five Job. Acht Stunden am Stück kann sich niemand konzentrieren und kreativ sein. Oder lange Texte kontrollieren. Wenn man eine Pause braucht, wenn man aufhören möchte, dann tut man es einfach. Lange Gespräche, Ausgleichsantrag ausfüllen, braucht es dafür nicht. Es gibt nicht einmal dann einen bürokratischen Aufwand, wenn man plötzlich das Pensum reduzieren muss, weil das Leben eine Überraschung bereit gehalten hat. Das Dasein als Vollzeitautor*in lässt sich auf jeden Fall gut mit dem Familienleben vereinbaren.

Abgesehen von der Freiheit, den Alltag selbst gestalten zu können, ist da noch das Wahnsinnsgefühl, dass man bekommt, wenn man sich vor Augen hält, dass man das Leben lebt, von dem alle anderen träumen. Dass man etwas tut, was andere sich nie trauen würden zu tun. Ist das nicht total verrückt? Ich mein, Bücher schreiben will jede*r. Sagen zumindest immer alle. Aber wir tun es und haben es bereits getan! Das ist so mutig, so außergewöhnlich, dass man es nicht in Worte fassen kann.

Ein weiterer Vorteil, zumindest für die unter uns, die das lieben ist, dass man auf jeder Party der Mittelpunkt aller Gespräche ist. Wer es liebt aufzufallen, wird mit der Berufung seine wahre Freude haben. Egal wo man hingeht, man wird immer angesehen. Allerdings, vergesst das dicke Fell nicht, denn neben dem Klatsch und Tratsch wird es auch an Neid nicht fehlen. Auch Anerkennung des Muts, wie man sie zum Beispiel in Kanada oder den USA antrifft, nun, die ist in Deutschland nicht sonderlich weit verbreitet. Wenn es bei dem Spruch a la, „Wenn ich Zeit habe, dann schreibe ich auch mal ein Buch“ bleibt, hat man es noch gut getroffen. Meist versuchen einem die Leute Angst vor der eigenen Courage zu machen. Und mal ehrlich, seinem Bauchgefühl zu folgen braucht Courage, denn einfach ist es nicht und nur Sonnenseiten gibt es auch nicht im Leben eines Vollzeitautors / einer Vollzeitautorin.

Einer der größten Nachteile sind wie immer die Finanzen.

Geld ist bei den meißten Autor*innen knapp. Diejenigen, die von ihrem Schreiben wirklich Miete und Essen zahlen können, sind rar gesät und wenn dann eher Sachbuch- als Romanautoren. Gleichzeitig müssen die meisten Selfpublisher für jedes Buch tief in die Vorkasse greifen, da Lektorat, Korrektorat und Buchcover, das Marketing und alle noch weiteren anfallenden Kosten selbst bezahlt werden müssen. Bei einem Verlagsautor hingegen würden diese Kostenpunkte vom Verlag übernommen werden, dafür kommt die Arbeit für einen Verlag allerdings auch wieder mit ihren eigenen Hürden und Nachteilen daher. Etwas von seinem Gewinn pro Buch abtreten zu müssen ist nur einer dieser Nachteile. Deadline und das Abgeben von Entscheidungsgewalt andere.

Außerdem muss ein Selfpublisher nicht nur alles allein zahlen, er oder sie muss sich auch noch um alles allein kümmern. Man muss sich die Lektoren durchsehen, man muss sich Angebote für Buchsatz und Buchcover einholen. Die Werbetrommel rührt man allein für sein Buch…

Zugegeben das kann alles eine Herausforderung sein die wahnsinnig interessant ist, aber es frisst auch Zeit. Zeit die man dann für das Schreiben nicht hat.

Was gleich zum nächsten Nachteil überleitet: man hat selten eine 40 Stunden Woche und muss flexibel sein. Der Vorteil des Autor*innenleben ist, dass man es an seine Bedürfnisse anpassen KANN. Der Nachteil ist, dass man es an seine Bedürfnisse anpassen MUSS. Will heißen: nachdem man die Kinder ins Bett gebracht hat, gibt es noch immer Arbeit die getan werden muss. Ein Kapitel, dass man schreiben muss. Die Angebote der Grafiker die man prüfen muss oder, deutlich ätzender!, die Steuererklärung die man machen muss. Alle 3 Monate! Noch so etwas, auf das man gern verzichten könnte.

Weitere Nachteile sind die dummen Sprüche, die man von allen Seiten ungefragt erhält. Bei keinem Arzt, bei keinem Anwalt, bei keiner Lehrerin würde sich Otto Normalverbraucher das Recht herausnehmen, ungefragt mit Ratschlägen über einen hereinzubrechen. Außer man gibt sich als Mitglied der schreibenden Zunft zu erkennen. Dann stehen Tür und Tor offen. Denn schreiben kann offenbar jeder. Warum es dann nicht jeder tut ist mir persönlich ein Rätsel, zumal es auch genau mit dieser Einleitung immer beginnt, also, dass das Gegenüber auch ein Buch schreiben wollen würde, wenn dann mal Zeit wäre. Was eigentlich schon an sich frech ist, weil es impliziert, dass es Wichtigeres gibt als Schreiben. Und von da an geht es nur noch abwärts. Dann prasseln die gut gemeinten Ratschläge und Fragen auf einen ein.

Von wegen mit Krimis könne man doch richtig Geld machen. Nein, Nicole, es mag dich überraschen aber Geld macht man vor allem mit Sachbüchern, also Ratgeberliteratur.

Von wegen man sollte doch mehr wie Autor XY schreiben, dann wäre der Verkauf gewiss. Sicher, aber dann wäre es nicht mehr mein Buch, Sebastian.

Ob man denn schon viel verkauft hätte. Eine Frage, die ich immer gern mit „Ja“ beantworte. Denn verkauft habe ich schon einige Exemplare. Es ist halt nur so, dass man pro Buch nicht viel verdient. Was im Endeffekt dazuführt, dass die Antwort auf die eigentliche Frage, die nämlich ist, ob man viel mit dem Schreiben verdient, mit einem klaren „Nein“ beantwortet werden müsste. Aber hey, ich muss ja nicht schlauer sein, als ich aussehe oder?

Wovon auch nicht gern gesprochen wird, ist der Nachteil, der sich entwickeln kann, wenn man seine Leidenschaft zum Beruf macht.

Oft hört man den Ratschlag man soll seine Leidenschaft, sein Hobby zum Beruf machen, dann hätte man den tollsten Job auf Erden und wäre nie wieder gefrustet…

Ja, nein. Spoiler, so einfach ist es dann doch nicht.

Klar, wenn man sein Hobby zum Beruf macht, kann das unglaublich befreiend und motivierend sein. Andererseits kann die mit dem Hobby zum Beruf machen einhergehende Professionalisierung auch zu unglaublichem Druck führen. Und plötzlich wird das, was man einmal gern getan hat, ziemlich stressig. Hinzukommt noch, dass jetzt, wo es nicht mehr nur ein Hobby ist, man es auch nicht mehr mal links liegen lassen kann. Jetzt hängt die Existenz davon ab, wie gut, wie viel und wie schnell du schreibst… Tja, plötzlich ist alles nicht mehr so rosa, sondern ziemlich beängstigend und nichts geht mehr. Statt Spaß und Freiheit hat man auf einmal jede Menge Selbstzweifel und eine manifeste Schreibblockade. Einfach weil man mit der Professionalisierung die Messlatte höher gelegt hat. Jetzt ist man kein Hobbyautor mehr, jetzt spielt man bei den Großen mit und die Leute wollen Erfolg sehen. Entweder tatsächlich (und sollte das der Fall, sein, dann begib dich bitte schleunigst in ein anderes Umfeld) oder man glaubt, dass es von einem erwartet wird Erfolg einzufahren (wenn das der Fall ist, dann sollte man mal tief in sich gehen und sich damit auseinandersetzen, was tatsächlich an einen herangetragen wird und was nicht).

Nein, das Hobby also zum Beruf zu machen ist nicht immer eine Garantie für Erfolg und Sorglosigkeit, sondern manchmal eher eine Garantie für eine ausgewachsene Krise und eine Therapie. Aber gut… Das ist nur ein Kann- Szenario. Nicht ein Muss.

Was fallen euch sonst noch für Nachteile ein?

Dass man keinen Bankkredit bekommt? Die Vermieter einen komisch beäugen, wenn man seinen Beruf angibt?

Was für Vorteile gibt es noch, außer dass man weder seinen Tee / Kaffee / Merlotkonsum rechtfertigen muss. Oder den Kauf des Cottages in den Cotswolds. Lasst es mich wissen.

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Taschen- oder E-Book? Was tischt man den rezensenten auf?

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Wie es Aussieht, wenn ich arbeite…