Triggerwarnungen: meine zwei Gedanken dazu

Seit mehreren Jahren findet man in Fernsehsendungen. In der Computerspielbranche sind sie schon eine Tradition und jetzt ist die Frage, ob wir sie auch noch in Bücher einbauen. Die Rede ist von Triggerwarnungen.

Triggerwarnungen vor Blut, vor Sex, vor sich übergebenden Figuren, vor Gewalt, der Büroarbeit… (kein Scherz)

Denkbar ist alles. Denn ein Trauma kann man von allem bekommen, so dass man sagen kann: des einen Leseerlebnis ist des anderen Rückfallauslöser.

Was ein Trauma ist, muss ich hier wohl nicht erklären oder doch?

Gut, kurze Erklärung.

Trauma bezeichnet ein schlimmes Erlebnis, dass, wenn es noch mal erlebt werden muss, demjenigen der es durchlebt schwerwiegenden Schaden zufügen kann. Namentlich sich noch mal bedroht und verängstigt zu fühlen, sich ausgeliefert und ohnmächtig zu fühlen, weitere seelische und körperliche Folgen ertragen zu müssen. Plus, die Aussicht zu haben, dass sich das Trauma noch ein wenig tiefer und fester in unsere Gedanken, unser Erleben, unser Hirn, kurzum unser Leben einnistet und uns noch weiter einschränkt, denn genau das kann beim Wiederholen des Erlebten passieren. Weswegen es auch keine gute Idee ist so etwas ohne den Therapeuten seines Vertrauens auf eigene Faust zu machen.

Ist klar oder?

Dann dürfte wohl auch klar sein, dass es nicht cool ist, wenn man wo auch immer dem Auslöser zu seinem Alptraum begegnet.

Also, Triggerwarnungen einführen und jeden darauf hinweisen, mit was er oder sie es zu tun bekommt, wenn er die Sendung sieht, das Spiel spielt oder das Buch liest und sie so vor einem Rückfall beschützen?

So einfach und logisch das klingt, so kompliziert ist das, denn wie oben bereits angedeutet: ein Trigger kann alles sein.

Gewalt und Blut sind noch ziemlich offensichtlich und dürfte für alle nachvollziehbar sein. Flugangst, ok, auch wenn wir selbst nicht betroffen sind, klingt das logisch. Angst vor Insekten, ebenso. Hunde, vielleicht schon weniger, weil die sind doch so süüüüüß. Ebenfalls weniger nachvollziehbar ist die Angst vor Übelkeit oder aber dem sich übergeben müssen. Klar, das ist nicht lecker, aber das man mit der Schilderung solcher Dinge schlimme Erinnerungen hochholen kann? Ja. Selbst mit etwas so Schönem wie Feuerwerk kann man furchtbare Ängste auslösen. Fragt nur mal eure Großeltern, Kriegsflüchtlinge oder Soldaten.

Ihr seht also, je nachdem was der Auslöser, der Trigger, für die jeweilige Angst ist, wird das Leben teilweise ziemlich kompliziert. In einen Flugzeugabsturz zu geraten dürfte recht schwierig sein, aber Hunden, Hunden zum Beispiel begegnen wir alle paar Meter! Die sind quasi überall! Und jetzt stellt euch kurz vor, wie euren Leben wäre, wenn ihr Angst vor Hunden hättet. Der Gang zum Supermarkt? Speißrutenlaufen! Eigentlich fast unmöglich. Noch schlimmer wird es, wenn nicht erst das Tier an sich als Auslöser reicht, sondern ihr schon panisch werdet, wenn ihr irgendwo, egal wie weit entfernt, einen Hund bellen hört. Mhhh… keine schöne Vorstellung oder?

Und das ist noch eine Angst, die man relativ gut heilen kann. Es gibt auch Ängste, bei denen das kaum oder nicht geht und die auch nicht gesellschaftlich anerkannt sind, sprich für die Hinz und Kunz Verständnis haben. Nicht lustig.

Daher sollen Traumapatienten in einer Therapie lernen nicht nur ihre Ängste sondern auch die Auslöser, die Trigger, für die Ängste zu erkennen und notfalls zu umgehen oder aber Techniken an die Hand gegeben bekommen um die Angst aushalten zu können.

Triggerwarnungen können hier hilfreich sein, da, so der Gedanke, dem jeweiligen Individuum die Chance zur Entscheidung gegeben wird. Möchte ich die Sendung wirklich sehen, wenn mein Trauma geweckt werden könnte? Wie stark fühle ich mich heute? Kann ich das noch durchstehen oder nicht? Wenn nicht, dann sehe ich mir die Sendung heute nicht an. Wenn ich noch Kraft habe und ich meine ich möcht das, dann schaue ich sie doch.

Seit Kurzem findet man Triggerwarnungen nicht nur in Spielen und Film und Fernsehen sondern auch in Büchern, denn seit einiger Zeit wird darauf aufmerksam gemacht, dass Auslöser nicht nur in bewegten Bildern zu finden sind, sondern auch geschriebene Worte unangenehme Erinnerungen /Erlebnisse auslösen können. Daher wurde gefordert, dass auch in Büchern entsprechende Warnungen zu finden sein müssen, um Leser*innen darauf vorzubereiten, was sie erwartet, damit sie sich im Zweifel gegen das Lesen des Textes und damit zur Umgehung des Auslösers entscheiden können.

Diese Forderung hat die Literaturwelt allerdings gespalten. Ganz zu Schweigen davon, dass niemandem so ganz klar ist, wie die Warnungen aussehen sollen. Wie viel muss man sagen, um Leser vor Schaden zu bewahren? Wie viel darf man sagen, wenn man nicht eine Erinnerung lostreten möchte.

Wo sollte die Warnung zu finden sein? Auf der ersten Seite, noch ehe das Buch begonnen hat? Ähnlich dem wie es bei Filmen gemacht wird. Oder muss es vor die Stelle wo es einen Auslöser geben könnte? Wenn ja, wo genau? Reicht Kapitelanfang oder muss es in den Text hineingesetzt werden?

Wie können Autor*innen Triggerwarnungen integrieren ohne zu viel von der Geschichte zu verraten?

Kann ich alle, wirklich alle Auslöser abdecken? Sind mir überhaupt alle Auslöser oder Ängste bekannt?

Und was genau ist ein Auslöser eigentlich, um noch einmal auf die Feststellung im ersten Teil des Textes aufzunehmen. Was für mich ein normales, unkompliziertes Leseerlebnis ist, kann für jemand anderen ein Alptraum sein, an dem er Monate zu knabbern hat.

Ist es bereits ein Auslöser, wenn ich im Buch über nervige Kollegen und Stress am Arbeitsplatz lesen muss? Für viele von uns sicher nicht. Gerade mal normaler Alltag. Für Leute mit einer Arbeitsplatzphobie ist das der Horror! Und ein Auslöser für eine ganze Bandbreite unangenehmer Gefühle wie Herzrasen, Panik, Atemnot, aber auch Schuld pur, weil wer bitte kann nicht arbeiten gehen?!

Die Frage ob Triggerwarnungen auch in Bücher eingebaut werden sollten, stellt sich also eigentlich nicht. Allerdings dürfe es schwer werden jedem gerecht zu werden. Phobien und Trauma sind so zahlreich und vielschichtig, so unterschiedlich und auch die Auslöser sind vollkommen unterschiedlich. Bei dem einen sind es die bunten Lichter des Feuerwerks, bei dem anderen die Anspannung der Menge, die auf das Feuerwerk wartet, dass einen Flashback auslöst. Wenn man in einem Buch nun vor der Anspannung warnt, jedoch nicht vor der Beschreibung der Lichteffekte, hat man zwar einen Betroffenen gewarnt, den anderen jedoch nicht. Was genau zur Auslösung des Traumas führt, kann vielfältig sein. So vielfältig, dass es schwer werden dürfte aller habhaft zu werden.

Ebenfalls diskutiert wird, ob Warnungen an sich nicht schon sinnlos sind, denn die Verwendung bestimmter Worte allein kann ein Trauma zurückholen, womit das Gegenteil von dem eintritt, was eigentlich geplant war. Statt Schaden zu verhindern löst die Warnung Schaden aus.

Daher meine Frage: Leute vor Schaden zu bewahren ist sicher sehr ehrenvoll, aber kann man das überhaupt? Wie soll das gehen? Wie kann man die Bandbreite der Auslöser abdecken besonders dann, wenn man selbst nicht betroffen ist? Wie soll man es in Worte fassen, ohne bereits mit der Warnung etwas auszulösen? Wo genau muss das hin? Und wie schafft man es als Autor, genug zu verraten um zu warnen, aber trotzdem die Spannung aufrecht zu halten und nichts zu verraten?

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