Blockierte Autor*in - Teil 1

Kann man das Schreiben verlernen?

Als Autor*in?

Kann man?

Okay, erst mal vorweg: die Frage dreht sich weniger um den technischen Aspekt des Schreibens, sondern eher um den kreativen Anteil des Schreibprozesses, also darum, ob die Ideen irgendwann tatsächlich ausbleiben können, so dass man nicht mehr schreiben kann, einfach weil man… leer ist? Weil es nichts mehr gibt, über das man schreiben könnte. Weil einfach kein Wort mehr auf das Papier kommt, egal ob man und wie sehr man sich das Hirn zermartert. Da kommt einfach nichts, da ist nichts… Außer Nebel.

Weswegen man sich zu fragen beginnt: kann man als Autor*in das Schreiben verlernen?

Packen wir das Problem doch mal bei der Wurzel an.

Kreativität ist das was fehlt, aber was ist das?

Allgemein gesprochen ist Kreativität die Fähigkeit Neues zu erschaffen. Oder Problemlösungen zu finden. Dabei ist es völlig egal, in welchem Bereich oder welcher Funktion man Neues erschafft / Lösungen findet.Genau betrachtet ist der Mensch eigentlich überall kreativ. Ob nun jemand die neue Sommerkollektion von irgendeinem großen Modekonzern entwirft oder ein Ingenieur ein Teil einer Maschine umbaut, damit sie besser läuft und weniger Ressourcen verbrät. Ob jemand ein Gedicht schreibt oder einen administrativen Prozess „umbaut“, damit der Arbeitsprozess flüssiger und schneller läuft, all das ist kreativ. Denn all das schafft etwas Neues. Der Designer erschafft neue Mode, der Ingenieur eine neue, verbesserte Maschine. Der Poet erschafft aus bereits bekannten Buchstaben und einer Metrik etwas, dass manche von uns tief berührt und der Bürohengst sorgt dafür, dass ein Arbeitsprozess, der vielleicht bisher eine halbe Stunde dauerte nur noch eine viertel Stunde braucht, so dass deutlich mehr Fälle bearbeitet werden können. All das ist Kreativität. Soweit zur guten Nachricht.

Der Haken: in einigen Fällen würden wir es sicher nicht kreativ nennen.

Keiner von uns verbindet eine so staubige Sache wie Verwaltung mit einem so schillernden Wort wie Kreativität und kreativ sein. Und trotzdem enthält es genau das. Kreative Prozesse zur Bewältigung der Papierflut via stempeln, lochen, abheften und entsprechend einsortieren.

Und genau dieser Gedankengang bringt mich dazu feststellen zu können, dass es vermutlich niemanden von uns gib, der nicht irgendwie kreativ ist, auch wenn es nur um Arbeitsprozessoptimierung geht. Trotzdem übersehen wir einerseits die alltägliche Kreativität, bezeichnen sie nicht als solche und andererseits bricht kaum jemand von uns spontan auf um Gemälde auf die Wand des örtlichen Supermarktes zu pinseln oder stellt sich im Lieblingspub auf dem Tisch um ein ein spontan erfundenes Gedicht vorzutragen oder entwirft seine eigenen Klamotten. Die meisten von uns werden eher angeben, dass sie sich in keinster Weise für kreativ halten und letzte Aktionen eher nicht machen. Sie sind nur eine normale Sandra Meier aus der Buchhaltung. Gehen Tag für Tag ihrer Arbeit nach und ab un an überdenken sie ihre Arbeitsprozesse und bauen sie um. Sei es weil sie wollen, weil Sommerloch oder weil neue Technik / Software Einzug gehalten hat und daher Veränderung und Anpassung notwendig geworden ist.

Auch in Stellenbeschreibungen findet man höchst selten das Wort „Kreativ“. Von einem Angestellten erwartet der Arbeitgeber alles mögliche, außer das. Dabei wissen ¾ aller Angestellten, dass sie meist aus Sch**** mit Null Ressourcen Gold machen sollen. Also, wenn das mal nicht kreativ ist, was dann? Und trotzdem wird kaum jemand behaupten er oder sie sei kreativ.

Warum?

Wie kommt es, dass wir im Verlauf unseres Lebens nicht mehr kreativ sind, bzw. glauben nicht mehr kreativ sein zu können, obwohl wir es als Kinder doch zweifelsohne sind.

Schuld ist das Leben und die falsche Definition von Kreativität.

Das Schul- und später das Berufsleben verengen unseren Blick für das, was kreativ ist und optimieren gleichzeitig unsere Kreativität. Der Effizienz wegen.

Ein erklärendes Beispiel, damit ihr versteht, was ich meine:

Kinder sind noch offen für alles. Das führt dazu, dass sie in einem Tennisschläger eine Gitarre oder eine Bratpfanne sehen. Das heimische Sofa wird so leicht zur Bühne oder zur Küche eines Fünf Sterne Restaurants.

Ein Erwachsener hingegen hat gelernt, bzw. wurde darauf trainiert Dinge einzuordnen und einzuschätzen. Sein Blick ist nicht mehr offen. Der Schläger ist ein Schläger. Keine Gitarre. Keine Bratpfanne. Oder Schaufel. Oder Ruder eines Bootes für die große Expedition.

Sicher, der Blick des Kindes, die Fähigkeit aus Ding A Ding B erschaffen zu können ist sicher romantisch, aber der Blick des Erwachsenen war früher überlebenswichtig, ein „Seil“ könnte auch einfach kein „Seil“ sondern eine schlafende Boa Konstriktor sein, die sehr unwirsch wird, wenn man sie weckt, und heute ist er effektiv. Denn für Standartprobleme gibt es Standartantworten, die man aus der Schublade ziehen und somit für alle Beteiligten Zeit und Energie und Hirnschmalz sparen kann. Und die meisten Probleme mit denen wir uns herumschlagen sind solche Standartsachen und machen den Hauptteil unseres Alltags aus.

Dass dem so ist, merken wir immer dann, wenn wir mit dem Standard nicht weiter kommen. Wenn plötzlich irgendetwas angepasst werden muss, um bessere Ergebnisse zu erzielen. Dann merken wir, wie wir ins Schwimmen geraten und nach einer Lösung suchen müssen, wie uns die Übung fehlt. Tja, Mist auch, nicht mehr genug Kreativität vorhanden, wird jetzt schwierig bis unmöglich, aber muss das so? Kann man das ändern?

Theoretisch ja. Wir waren mal kreativ, wir können es auch wieder sein, denn unser Hirn ist, wie wir aus der Hirnforschung wissen, zum Glück formbar (plastisch). Was heißt, dass alles, was wir mal gelernt haben, können wir verlernen, wenn es nicht gebraucht wird und umgekehrt. Worum es sich handelt ist egal. Ob Fremdsprachen, Gewohnheiten oder Denkweisen oder auch Kreativität, es ist alles möglich.

Natürlich weiß aber auch jeder dass das alles nicht einfach ist. Allein wenn wir daran denken wie schwer es ist das Sportprogramm konsequent durchzuziehen, dass wir uns jedes Jahr auf´s Neue vornehmen! Dabei handelt es sich hierbei „nur“ um das Ausbilden einer Gewohnheit. Wenn das also schon so schwer ist und so ewig dauert, bis das verankert ist, wie schwer muss es dann bei komplexeren Sachen sein?

Lasst mich darauf die Antwort geben: sehr schwer.

Wenn das normale Leben noch dazu kommt: noch mal deutlich schwerer.

Und natürlich gilt: wenn man jünger ist fallen einem manche Sachen leichter.

Allerdings ist das alles keine Entschuldigung, das ist klar, aber wie geht das denn jetzt? Wie kann man die Kreativität wiederbeleben sollte man sie verloren haben und vermissen?

Nun, zum einen kann man sich den Feind zum Verbündeten machen.

Wir erinnern uns an das was ich oben sagte: Das stempeln, lochen und abheften, die Routine und wie all das unsere Kreativität zerstört? Ebenso wie es unsere Kreativität zerstört kann es uns aber auch „Räume“ schaffen in denen sie leben kann, denn all das stempeln vereinfacht Dinge und lässt Energie die wir für andere Dinge nutzen können.

Ebenso erlaubt uns die Routine schneller gedankliche Zustände zu wechseln, umzuschalten von dem einen in den anderen Mode. Was ich meine? Montagmorgen. Man sitzt noch zu Hause am Küchentisch, kippt den Kaffee, der einen hoffentlich endlich wach macht und obwohl man körperlich noch zu Hause ist, ist man innerlich ist man längst auf der Arbeit. Die Stimmung ist leicht angenervt bis mies, man geht vor dem inneren Auge schon die Fristen durch, fragt sich ob die Unterlagen endlich gekommen sind oder nicht und ob das eventuell Ärger gibt… Kommt euch bekannt vor? Das ist Routine. Routine lässt uns die ersten Schritte nach einem Wochenende automatisch, wie schlafwandelnd machen. Ohne dass wir dafür groß Energie aufwenden müssten. Wir sind noch längst nicht auf der Arbeit, aber innerlich schon voll darauf eingestellt. Wir kennen die Wege, wir kennen die Arbeitsprozesse, wir wissen, was zuerst zu tun ist. Fristen prüfen, dann die Mails überfliegen und einsortieren, wer was braucht, wer dringend ist und dann antworten. Dabei sind wir noch nicht mal richtig wach.

Genau den Effekt kann man auch für das Schreiben und die Kreativität nutzten. Indem man Routine aufbaut, damit es einfacher wird, in das Schreiben zu kommen, die Kreativität abzurufen.

Wann dabei die beste Zeit für das Schreiben ist, muss jede*r für sich selbst herausfinden. Manche schlagen in den frühen Morgenstunden zu schreiben. Andere halten nach der Arbeit für die beste Zeit. Ich persönlich würde eher gegen 9 oder 10 Uhr anfangen, aber natürlich kann ich nicht jederzeit frei über meine Zeit verfügen, daher muss ich mir Lücken suchen, die noch übrig bleiben. Fakt ist, ich weiß, für mich ist der frühe Morgen nichts und nach der Arbeit schreiben… naja, das kommt auf den Job und die Arbeitszeiten an. Manchmal mag das gehen. Meist aber braucht der Job zu viel Energie, so dass für das Schreiben nur das Wochenende bleibt. Klar, viel reißen kann ich damit nicht, aber darauf kommt es auch nicht an. Vielmehr geht es darum kontinuierlich zu arbeiten, um es zur Gewohnheit / Routine zu machen und so auf lange Zeit am Ball zu bleiben und zu lernen sich in kurzer Zeit konzentrieren und die Kreativität abrufen zu können.

So, dass ist ein mögliches Vorgehen bei einfachen Fällen. Was ihr tut, wenn ihr es mit einer ausgewachsenen, oft auch komplexen Blockade zu tun habt, lest ihr in Teil zwei des Artikels.

Weiter
Weiter

Des Kaisers Kleider - Teil 4 der Serie