Von der Idee zum Buch - ein kurzer Überblick
Wie entsteht ein Buch? Und wie lange dauert es, bis aus der zündenden Idee, ein Stapel toten Baumes oder aber ordentliche Reihen von Nullen und Einser werden, die sich in einem E-Book eingesperrt finden?
Dieser Artikel soll eine „kurze“ Antwort auf die Frage und eine kurze Übersicht der verschieden Phasen im Schreibprozess geben.
1. Feuer und Flamme:
Die Muse kann einen in jeder wachen oder aber unwachen Minute küssen. Ob unter der Dusche (Sehr beliebt. Musen scheinen einen Hang zum fließenden Element zu haben, was erklären würde, warum es so läuft, wenn man einmal von ihr geküsst wurde.) auf Arbeit oder im Kaffee, der Ort ist egal, aber genau das ist der Moment, in dem ein Buch geboren wird. Es ist der Urknall und von da an geht eigentlich alles nur noch… aufwärts? Oder ist es ein stetiges Abwärts?
Nein, das so platt zu sagen würde einem so komplizierten Vorgang, wie dem Überleben des Schreibens eines Buchs nicht gerecht. Vielmehr ist es eine Berg- und Talfahrt, die einen für die nächsten zwölf Monate, manchmal auch für die nächsten paar Jahre begleiten wird. Und in der Regel nicht nur einen selbst, sondern garantiert auch seine nächsten Angehörigen, den Hund, die Katze, die engsten Freunde, die Nachbarn.
Aber vorerst haben wir den Moment, in dem der Autor / die Autorin von der Muse geküsst wird und die Idee für ihren Roman bekommt. Wobei, manchmal ist es auch nicht eine Idee, also ein Grundkonzept für den Roman, sondern lediglich eine nette Figur, die aus dem Nebel von Nirgendwo auftaucht, freundlich winkt und sich von dem Moment an, wie der Bekannte benimmt, dem wir aus Mildtätigkeit aushelfen wollten und ihm angeboten haben eine Nacht auf unserem Sofa zu pennen und der seitdem nie wieder ausgezogen ist.
Von diesem Moment an ist der Autor Feuer und Flamme und wird in hektische Aktivität verfallen.
Er / Sie wird, wo auch immer er oder sie sich gerade befindet, nach Stift und Papier oder aber nach einem Computer suchen, um die Idee, die ihn erwischt hat festzuhalten, denn genauso schnell, wie sie gekommen ist, kann sie auch schon wieder verschwunden sein.
Dieses Stadiums, des Schnellschreibens, in dem sich der Autor oder die Autorin dafür verflucht nie Steno gelernt zu haben, weil das wäre jetzt so praktisch, wird ungefähr einen halben Tag bis 3 Tage anhalten, je nach Lebenslage des Schreibenden. Ein bezahlter Brotjob nebst einem Chef, der kein Verständnis für Anfälle dieser Art hat, kann dieses Stadium frühzeitig beenden oder aber wenigstens verlangsamen. In dieser Zeit werden die groben Grundlagen für das Buch gelegt, vielleicht werden auch bereits die ersten Kapitel ausformuliert, aber, wie gesagt, dass ist alles davon abhängig, ob der Autor oder die Autorin noch ein funktionierendes Sozialleben außerhalb ihres Schreiberdaseins hat und vorhat daran teilzunehmen.
Ausarbeiten:
In Deutschland bekannt als „plotten“, ist es die Phase, in der sich die Spreu vom Weizen trennt, denn es geht zum ersten Mal ans Eingemachte, und ja, wenn ich sage das erste Mal, möchte ich damit andeuten, dass man diese Phase gern mehrmals während des Projekts durchleben wird.
In der Phase werden all die Notizen, die man sich in der hektischen Phase gemacht hat, genauer ausgearbeitet, Details werden eingefügt, die Anzahl an Kapiteln nimmt zu, neue Figuren können auftauchen, neue Szenen für bereits bestehende Figuren kommen hinzu, Handlungsumbrüche erscheinen und noch viel schlimmer: der Autor wird in der Phase zum ersten Mal testen, ob sein roter Faden etwas taugt. Ist das, was er sich vorstellt überhaupt logisch? Sind die Figuren eindimensional, können ihre Handlungen und Motive überzeugen? Das ist die erste Zeitpunkt, an dem der Autor seine Idee einem Außenstehenden zeigt, entsprechend niederschmetternd kann es sein, wenn man feststellt, dass die Idee keinen Sinn macht und außer von uns von sonst niemandem verstanden wird.
Diese Phase hält circa eine Woche an, in der der Autor immer wieder versuchen wird an der Grundstruktur etwas zu drehen, um mit so wenig Änderungen wie möglich auszukommen. Danach setzt sich der Schreiberling in der Regel an das wirkliche Schreiben.
Tippen, bis die Finger bluten:
Beim Schreiben gibt es zwei Zustände.
Zum einen ist da der Flow: In diesem Zustand schreibt der Autor oder die Autorin wie besessen. Oft zeichnet sich die Phase dadurch aus, dass man nichts und niemanden mehr um sich herum wahrnimmt. Das Haus könnte abbrechen, in den rauchenden Trümmern fände man eine verkohlte Leiche, die an ihren ebenso verkohlten Computer geklebt scheint. Unterbrochen wird dieser Zustand nur für die wirklich wichtigen Dinge im Leben: den Toilettengang. Und auch nur, wenn es gar nicht anderes mehr geht.
Wem die Vorstellung nicht behagt, der sei beruhigt, all zu lange hält der Zustand nicht. Für dauerhafte Entsagung sind auch Autoren nicht gemacht, also spätestens nach drei Tagen wird der Schreiberling aus seiner Separation auftauchen, weil er Wasser braucht.
Wichtig ist hierbei zu wissen: auch wenn man sich als Normalbürger wünscht, dass der Autor aus seinem Flow rauskommt, oft wird man diesen Wunsch hinterher bereuen. Denn ein Flow setzt in einem Autor eine hormonelle Reaktion in Gang, die ihm den Trip seines Lebens beschert. Wenn der Autor sich kurz nach dem Flow aufführt, als hätte er gerade eine Mischung an bunten Pillen eingeworfen, ist das normal, gewissermaßen hat er das. Nur ganz ohne Pillen. Also, theoretisch. Bei manchen Autoren wäre es aber doch besser mal zu prüfen ob er oder sie nicht doch irgendwo, was versteckt hat, da Autoren, wie Künstler allgemein, den bewusstseinserweiternden Hilfsmittel nicht abgeneigt sind, denn auch wenn sie nach der Flowphase auf einem Hormonhoch sind, das lässt leider nach. Und dann folgt unweigerlich der Katzenjammer, der bewirkt, dass jeder der mit einem Autoren lebt, sich wünscht, er würde nie wieder aus dem Flow auftauchen, auch wenn das heißt, dass man ihn über einen Tropf versorgen muss, damit er nicht vertrocknet.
Schreibblockade: Der andere Zustand des Schreibens ist als Schreibblockade bekannt und der Albtraum eines jeden Schreibenden. Oft tritt er nach einer Phase des Flows auf, denn nach einem Hoch muss fast zwangsläufig ein Down kommen, sei es, weil das Schreiberhirn immun gegenüber der Glückshormondosis wird oder aber weil einem schlicht der Stoff zum Schreiben ausgeht und die ersten Probleme auftreten, die einen am Schreiben hindern.
Allgemein kann man zu beiden Phasen sagen, dass ein Flow von Stunden bis zu einer Woche, eine Schreibblockade auch von wenigen Stunden bis hin zu ganzen Jahren anhalten kann.
Wichtig für den normalen Menschen ist: Der Flow ist für das Buch gut, geht aber den Mitmenschen oft auf die Nerven und kann, wenn der Autor nicht ans Essen, Trinken und Waschen erinnert wird, für diesen gesundheitsgefährdend sein. Die Schreibblockade hingegen ist nicht gut für das Buch und für die Umwelt eines Autors noch weniger. Beendet werden beide Phasen erst mit dem Aufgeben oder aber dem Erreichen der ersten Zwischenstation, nämlich der Fertigstellung des Erstentwurfs.
Fertigstellung des Erstentwurfs:
In den ersten Minuten und Tagen ist das eine Phase, in der der Autor feiert. Er oder sie hat es geschafft! Er hat den Berg bezwungen, der Entwurf ist fertig! Doch schon bald kommen ihm Zweifel und die ersten Fehler fallen ihm auf. Plötzlich nimmt er oder sie das eigene Werk auseinander, sucht regelrecht nach Fehlern. Und schon befinden sich alle in der nächsten Phase, die von der Überarbeitung nicht nur des Werks, sondern auch des Schreibenden geprägt ist.
Überarbeitungsphase:
In dieser Phase wird alles zerlegt, neu angeordnet. Ich glaube, Spielberg sagte mal, dass seine Publikationen nur noch 10 % mit dem Erstentwurf gemeinsam haben, ich denke, das sollte deutlich machen, wie umfangreich die Arbeit in der Phase sein kann.
Ganz so heftig wird die Umgestaltung nicht bei jedem Autor sein, aber auch bei normalen Autoren wird es Verzweiflung geben, bis, nach ein paar Wochen oder Monaten, je nach Umfang des Erstentwurfs und je nach Fehlerhaftigkeit des Erstentwurfs, diese Phase beendet ist. Um eine grobe Orientierung zu geben: Ich selbst plane für die Überarbeitung in der Regel zwei bis drei Monate ein, wenn ich es mit einem Entwurf von vierhundert Seiten zu tun habe.
Sind die Änderungen gemacht, kehrt man zurück zur Phase des Ende des Erstentwurfes, doch diesmal wird die Freude nicht so ungetrübt sein, wie beim ersten Mal, denn ein nagender Zweifel belastet den Autor. Die Frage, ob der Entwurf auch fremden Augen standhalten wird.
Betaleser:
Das bringt die Betaleser ins Spiel. Diese haben die Aufgabe das Manuskript auf Rechtschreibung, Stil, Grammatik und Logik zu prüfen. Sie sezieren die Charaktere, hinterfragen ihre Motive, entdecken Dinge, die der Autor nur ganz am Rand eingefügt und niemals für wichtig gehalten hat. Anschließend lassen sie den Autor ihre Meinung wissen, sagen, wovon sie mehr lesen möchten, was noch weiter ausgearbeitet werden kann und was gestrichen werden kann. Die Phase kann wieder bis zu mehrere Monate in Anspruch nehmen. Abhängig vom Umfang des Projekts und Sozialleben der Betas. Monate, in denen der Autor ein Wrack ist, und an jeder Ecke die Katastrophe lauern sieht.
Wer glaubt, das sei schon schlimm, der warte, was passiert, wenn die Betaleser ihr Urteil bekannt geben.
Dann ist die Hölle los und der Autor wird durch Zustände von Wut, Versuche des Erklärens, noch mal Wut und tiefer Trauer gehen und das über mehrere Wochen. Wenn es sich um ein besonders nachtragendes Exemplar von Autor handelt, kann es auch Jahre dauern, in denen die Wut unter der Oberfläche schlummert, wie ein inaktiver Vulkan, während er den Entwurf erneut überarbeitet.
An diesem Punkt sind um die neun Monate ins Land gegangen, ein Zeitraum, den normale Menschen brauchen um einen neuen Steuerzahler und weiteren Leser zu produzieren.
Abschluss:
Nach gut einem Jahr also ist der Entwurf so weit, dass man ihn einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich machen kann und das ist der Zeitpunkt, an dem sich die meisten Autoren daran setzen, ein Cover zu basteln, die letzten Formatierungsfehler auszumerzen und sich nach einem Verlag oder einer Selfpublishing Plattform umsehen werden.
Sucht ein Autor einen Verlag kann noch mal Zeit, manchmal sogar Jahre ins Land gehen, bis Otto Normalverbraucher das Buch in den Händen hält, weil nicht jeder Verlag gleich erkennt, dass er den nächsten Bestseller zugeschickt bekommen hat und das freundliche Angebot ablehnt.
Bei einer Selfpublishing Plattform geht die Sache schon schneller. Dort dauert es in der Regel nur noch ein paar Stunden, bis der Text formatiert und hochgeladen ist, also, vorausgesetzt man kennt sich mit moderner Technik aus. Und dann ist das Buch innerhalb einer Woche auf den gängigen Plattformen zu finden und kaufbar. Bis dahin hat ein Autor circa ein Jahr seines Lebens, seine Nerven und Gesundheit und die seiner näheren Umgebung investiert, nur, damit der Kunde einen zusammengepressten Stapel toten Baums oder aber Nullen und Einsen im ansprechenden Taschenbuchformat in den Händen halten kann.
Wer also nach diesem kurzen Überblick, welcher die Krisen, die sich während dieser Zeit abspielen nur streift und nicht weiter die Tiefe der Gefühlstäler auslotet, die sowohl ein Autor oder eine Autorin durchmachen, bis das Buch fertiggestellt ist, immer noch der Meinung ist, dass das Schreiben von Büchern eine einfache Sache und in keinster Weise ein ernst zu nehmender Beruf ist, nun, dem überlasse ich es es einmal selbst zu probieren. Kommen sie mit in den Klub, ist immer wieder eine große Freude und dann wollen wir sehen, ob sie nach einem halben Jahr nicht auch der Meinung sind, dass Autoren nur allein für die Gefahren, denen sie sich bei der praktischen Recherche aussetzen, nicht eine Schwerarbeiterzulage bekommen sollten. Ach, bevor ich es vergesse: Die Pestimpfung gehört natürlich zur Grundimmunisierung eines jeden Autoren. Abgesehen vom Vampirnotfallpflock, Weihwasser und den von Krupp gefertigten Einhornzaumzeug, das derzeit günstig bei Amazon zu kaufen ist. Also, greifen Sie zu, bevor es weg ist und sie das Biest mit bloßen Händen bezwingen müssen.