Texte Überarbeiten - Einleitung
Willkommen im Oktober und zum dritten Teil der Reihe: Der Weg des Buches.
Bevor ich versuchen werde in den kommenden Beiträgen zu zeigen, wie viel Arbeit hinter einem Buch steckt und vor allem wie viel Arbeit davon in die Überarbeitung fließt, möchte ich hier von meinen Erfahrungen mit Überarbeitungen berichten und eingangs die Frage beantworten, warum man ein Manuskript überhaupt überarbeiten “muss”.
Oft sind junge Autoren der Meinung, wenn sie ihr Buch fertig geschrieben haben, können sie das, was sie da geschrieben haben, veröffentlichen.
Autoren, die bereits eine Weile im Geschäft sind, schütteln sich bei dem Gedanken vor Lachen, denn sie wissen, das Beenden eines Manuskripts ist lediglich der Anfang vom Ende. Jetzt kommt die wirklich nervige Phase, und bis das Werk fertig zur Veröffentlichung ist, können noch Monate vergehen. Denn, das Manuskript, welches sie in den Händen halten, ist nicht mehr als der Erstentwurf, wobei der Name hier Programm ist.
Wenn man mich fragt, wie ich das Wort Erstentwurf erklären würde, würde ich sagen, es ist der Versuch des Autors die Geschichte in seinem Kopf auf ein Blatt Papier zu befördern. Es ist ein roter Faden, aber weil es ein Versuch ist, dient er nur zur Orientierung und ist noch voll von Fehlern jedweder Art.
Da gibt es haarsträubende Rechtschreibfehler, Buchstabendreher, Szenen, die (leider) total überflüssig sind und alles nur in die Länge ziehen, so dass die Geschichte langweilig wird. Es gibt Plotholes. Ebenfalls oft wechseln Figuren ihre Namen und / oder Kleidung. Es gibt jede Menge hölzerne Dialoge, Verbfaulheit, zu viele Adjektive, wobei man darüber diskutieren könnte. Sehr beliebt bei Anfängern ist es zwischen den verschiedenen Erzählperspektiven zu springen, weil man als Autor an allen seinen Figuren hängt und jede zu Wort kommen und vom Leser verstanden wissen möchte. Dass davon die Geschichte an sich nicht profitiert und leider immer einer der Böse sein muss, das lernt man erst später. Kurz gesagt, in einem Erstentwurf stimmen Tausende von Sachen nicht, die mal arbeitsintensiverer Natur sind und mal einfach zu Händeln sind.
Genauso wie es Tausende von Sachen gibt, die noch nicht sitzen, so gibt es auch verschiedene Methoden, um das zu ändern.
Ich selbst benutze gern die Sol Stein Methode, um tote Kapitel herauszufiltern.
Es gibt Ratschläge, man soll einen Entwurf eine Weile liegen lassen, bevor man ihn bearbeitet, weil es für die Überarbeitung Abstand vom Text braucht, den man aber nicht hat, wenn man gerade aus dem Schreibprozess kommt. Manche Autoren schwören darauf ihre Manuskripte von hinten nach vorn zu überarbeiten, da so der Zusammenhang der Geschichte zerrissen wird und sie sich stärker auf ihren Text konzentrieren müssen, was im Endergebnis dazu führen soll mehr Fehler zu finden und zu eliminieren. Andere wiederum können so gar nicht arbeiten. Dann gibt es Kandidaten, die ihre Überarbeitungen nur auf Papier machen können. Sähen sie ihre Text auf einem Bildschirm, wären sie blockiert. Genauso gibt es natürlich auch Autoren, die auf die Korrektur am Computer schwören.
Gern von allen genutzt sind Testleser, die im Literaturbetrieb auch als Alpha- und Betaleser bekannt sind. Hier muss man aber vorsichtig sein, denn ein Alphaleser ist kein Betaleser und beide werden für unterschiedliche Aufgaben eingesetzt, doch dazu mehr in einem der kommenden Beiträge.
Die Liste dessen, was man überarbeiten kann und wann man es überarbeiten sollte und wie könnte noch bis in die Unendlichkeit fortgeführt werden und vielen Dingen davon stimme ich zu, während ich andere für total unnötig halte (Stichwort: Adjektive). All das würde den Rahmen eines kurzen Einleitungsbeitrags sprengen, deswegen möchte ich, bevor wir wieder in die Theorie abtauchen, ein praktisches Beispiel geben und zeigen, wie ich vorgehe, wenn ich einen Erstentwurf abgeschlossen habe.
Wenn der Erstentwurf fertig ist, lasse ich gute zwei Wochen die Finger vom Text.
Erst mal, weil ich dann meist eh die Nase gestrichen voll habe von dem Zeug. Und auch, weil man die eigenen Fehler nicht sieht. Man wird betriebsblind, was man aber durch eine Pause überwinden kann und auch muss.
Habe ich meine Pause gehabt, gehe ich alles Kapitel für Kapitel am Bildschirm durch. Dabei habe ich es mir zur Regel gemacht, mich pro Durchgang nur auf eine Sache zu konzentrieren.
So schaue ich zuerst nach der Logik der Geschichte. Dann achte ich auf Spannung, ob ich Dinge kürzen, ganze Szenen streichen sollte, wenn nötig. Danach kommen die Dialoge an die Reihe, später einzelne Wörter oder Ähnliches. Dann der Textfluss. Wie klingt, was ich geschrieben habe? Oft ertappe ich mich dabei, wie ich den Text vor mich hinmurmele, was nicht die dümmste Idee ist. Viele Autoren sagen, dass man sich die eigenen Texte vorlesen sollte, um zu sehen, ob er sich angenehm liest oder nicht. Wie laut man das macht, ist jedem selbst überlassen. Bei mir reicht murmeln, dann merke ich, ob es fließt oder nicht. Tut es das nicht oder sitzen die Dialoge nicht, schreibe ich es um.
So kann es passieren, dass ich vier oder fünf Durchgänge habe. Vom Textfluss bis zum POV, für den ich bei der Überarbeitung von „Schattensprung“ noch eine Papierversion und einen Haufen Buntstifte brauchte, so kompliziert und fremd war mir das damals.
POV ist übrigens die Abkürzung für Point of View, also Erzählperspektive.
Ich saß da, jede Figur bekam eine andere Farbe zugewiesen und dann las ich das Buch, von Anfang bis Ende und bei jeder Zeile fragte ich mich, wessen Perspektive das sei. Zum Schluss hatte ich einen sehr bunten Text, der mir anzeigte: zu viele Perspektivwechsel. Nicht einfach zu lesen.
Also musste ich einige Szenen herausnehmen, Anteile von weniger wichtigen Figuren kürzen oder Szenen umschreiben. War ein langer Prozess, aber die Zeit hat sich gelohnt, sowohl für das Buch, als auch für mich, denn die Handhabung des POVs sitzt heute besser als damals. Trotzdem habe ich immer noch ein Auge darauf und frage mich schon beim Schreiben, in wem genau ich gerade stecke und was diese Figur eigentlich sehen und wissen kann und (vor allem!) was nicht.
Bin ich bis dahin gekommen, setze ich eine Rechtschreibkorrektur an und gehe zur Formatierung über.
Stimmen die Absätze? Stimmt die Kapitelnummerierung? Wie sieht es mit den Dialogen aus? Stehen die Anführungszeichen richtig? Die Komata zwischen der wörtlichen Rede und dem Begleitsatz….
Es ist Detailarbeit, frisst Zeit und hier unterlaufen oft noch Fehler. Leider. Aber ein Autor ist auch nur ein Mensch, und wenn man Glück hat, hat man Betaleser, die den Text später ohne Betriebsblindheit sehen und denen solche Fehler auffallen.
Wenn ich bis dahin durch bin, ist für mich die Phase angebrochen, in der ich nicht mehr den Erst-, sondern bereits den Zweitentwurf in der Hand halte. Dieser unterscheidet sich mal mehr, mal weniger vom Erstentwurf, je nachdem wie gut das Ausgangsmaterial war. Um das zu illustrieren, hier ein paar Erfahrungen aus der Charlotte- Reihe:
Bei “Schattensprung” hatte ich vorrangig mit den Perspektivwechseln zu tun, die bereinigt werden mussten, um den Text übersichtlicher zu gestalten. Der Verlauf der Geschichte an sich wurde aber nicht angetastet. Bei “Wiedersehen in Berlin”, habe ich ganze Kapitel umgeschrieben und “Lotte in London” ist beinahe ganz über den Haufen geworfen worden, da das, was ich sagen wollte nicht sichtbar wurde und die Geschichte insgesamt zu groß wurde, so dass sie nachträglich einer Struktur (3 Akt Struktur) unterworfen wurde. So kommt es, dass in dem Entwurf der Oktober 2017 veröffentlicht wurde, nur noch drei Kapitel von dem eigentlichen Erstentwurf stecken. Der Rest des Buches ist neu geschrieben worden.
Das alles war nur möglich, weil ich nach dem ich den Erstentwurf überarbeitet hatte, die Meinung von Testlesern, auch Betaleser genannt, eingeholt hatte, die mir zeigten, dass es nicht funktionierte. Was genau es mit Testlesern auf sich hat, ob man sie braucht und wonach Autoren allgemein in ihren Entwürfen schauen und welche Methoden es gibt, dazu gibt es im nächsten Beitrag mehr. Also, bis zur nächsten Woche, wenn es heißt: “Er ist tot, Jim.”