Filterliste für eine Textüberarbeitung
Nachdem ich letzten Monat erklärt habe, warum nur Neueinsteiger ihre Werke ohne Überarbeitung auf den Markt bringen und gezeigt habe, wie ich vorgehe, wenn ich meine Entwürfe überarbeite, möchte ich heute noch mal eine „kurze“ Liste zusammenstellen, was man alles bei einem Entwurf überarbeiten kann, sollte oder muss.
Doch bevor ich loslege, noch ein paar Worte der Warnung:
Der Blogartikel ist sehr ausführlich. Auf anderen Blogs findet ihr das bestimmt kürzer, ja, das gebe ich zu. Da ich aber finde, dass das Verstehen darunter leidet, wenn man an Beispielen oder Erklärungen spart, habe ich bewusst auf Ausführlichkeit gesetzt, um einen Gegenpol für die Vermittlung von Grundwissen zu schaffen. Also, wer es in aller Kürze haben möchte: Hier werdet ihr nicht fündig.
Als nächstes: Was auch immer man an seinem Entwurf überarbeitet, löscht oder hinzufügt, ist, meiner Ansicht nach, Geschmackssache und macht auch den persönlichen Stil des Autors aus. Dennoch gibt es ein paar Dinge, auf die wir uns alle einigen müssen. Dazu gehört die Rechtschreibung und die Grammatik. Darüber lässt sich leider nicht streiten, das ist das etwas, was man immer überarbeiten kann und sollte. Alles andere ist Geschmackssache.
Erstentwurf ist fertig und nun?
Wenn der Erstentwurf fertig ist, stellen sich viele Autoren die Frage, wie es weitergeht. Soll man den Text gleich korrigieren? Oder soll man warten und sich eine Pause gönnen. Oder die Schreibwut einfach auf ein anderes Objekt der Selbstverwirklichung lenken, um nicht das Schreiben zu verlernen?
Es gibt viele Wege nach Rom, dennoch empfiehlt es sich, den Erstentwurf eine Weile Ruhen zu lassen. Warum? Wegen der Betriebsblindheit. Was das ist?
Betriebsblindheit ist die Blindheit für den eigenen Text. Will heißen, wenn man als Autor zu lange an einem Text gesessen hat, passieren einem Fehler jedweder Art. Das können Rechtschreibfehler, Satzbaufehler, Grammatikfehler sein, aber auch Fehler die den Spannungsbogen oder aber die Figuren selbst betreffen und die dafür sorgen, dass ein Leser das Buch am Ende genervt zur Seite legt, weil er nicht versteht, was der Autor wollte, die Figuren nicht versteht oder aber er sich langweilt. All diese Fehler gilt es bei einer Überarbeitung herauszufiltern. Nur leider muss man sie dafür auch sehen. Und genau das kann man nicht mehr, wenn man zu lange an seinem Text gesessen hat, weil zum einen unser Hirn Meister darin ist, Sinn und Muster auch dort zu erkennen, wo es keinen oder keine gibt. Was dazu führt, dass wir Gesichter in teuren Handtaschen sehen, aber auch das wir Buchstabendreher, Dopplungen oder Buchstabenlücken in Texten ignorieren. Zum anderen, weil wir als Autoren automatisch über mehr Information verfügen, als der Leser, was dazu führen kann, dass uns Dinge im Entwurf als absolut logisch oder notwendig erscheinen, obwohl sie es vielleicht nicht sind.
Eine Pause ist also eine gute Idee.
Wie lange diese sein kann, darüber streiten sich die Geister. Manche sagen zwei Wochen, manche vier Wochen. Manche lassen ihren Text gern mal ein Jahr liegen. Wichtig ist nur, dass man Abstand gewinnt, um einen unverstellten Blick auf das eigene Geschreibsel zu bekommen. Also, so weit als möglich.
Papier oder nicht Papier?
Wenn man sich wieder fit genug fühlt, um es mit dem Entwurf wieder aufzunehmen, steht man vor der nächsten Frage: Drucke ich den Entwurf aus und bearbeite ihn auf Papier oder bearbeite ich ihn gleich am Computer.
Jede der Methoden hat ihre Vor- und Nachteile.
Druckt man sich den Entwurf aus, bekommt man einen anderen Eindruck von dem Werk und entdeckt zwangsläufig mehr Fehler, als am Bildschirm. Außerdem empfinden viele das Lesen von langen Texten auf Papier immer noch als weniger ermüdend für die Augen, als wenn sie das am Bildschirm tun müssten.
Andere Autoren schwören auf den Computer und ihr Schreibprogramm. Im Endeffekt macht das Überarbeiten am Computer auch Sinn, wenn man einrechnet, dass alles, was man auf dem Papier korrigiert, später noch in den Computer übertragen werden muss und man so doppelte Arbeit hat. Außerdem kann es sich lohnen am Computer zu überarbeiten, denn, mit einem entsprechenden Programm kann der neue Text gleich auf Herz und Nieren getestet werden, was auch wieder Zeit spart. Auch Kosten für Papier und Tinte fallen bei einer Überarbeitung am Computer weg. Das sind alles Punkte, die für eine Überarbeitung am Bildschirm sprechen. Wie man am besten vorankommt, muss jeder für sich selbst sehen. Das ist etwas, was man nur herausfindet, in dem man es tut.
Adjektive und Beschreibungen
Adjektive soll man streichen. Das liest man in vielen Schreibratgebern. Denn, so Ansicht der selbst ernannten Experten, Adjektive verwässern Texte. Statt eines Adjektivs oder Adverbs soll man überlegen, ob man nicht ein anderes Wort, eine andere Formulierung finden könnte, die besser beschreibt, was man sagen möchte.
Meine Erfahrung in Bezug auf Adjektive, ist, dass wie viel zu viel ist, stark von der Kultur abhängt, aus der der Leser kommt. In unseren Breiten haben Adjektive und Adverbien einen schweren Stand. Die arabische Erzählkultur hingegen liebt sie und protzt mit ihnen. Ist die Frage, was man möchte. Möchte man sein, wie jeder andere auch oder entscheidet man sich für einen eigenen Weg?
Giftmüll und Faulheit
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Copyright: April 2010, romana klee, (CC-BY: 2.0)
Was ich damit meine ist schnell erklärt. Giftmüll sind Wörter, die wir gern nutzen. Nicht bei allen sind sie gleich, jeder hat seine eigenen Lieblingswörter, die in jedem zweiten Satz vorkommen. Manchmal verändern sie sich auch im Lauf des Schreiblebens, aber immer wird es sie geben. Und da sie einen Text leider nicht besser machen, müssen sie weichen. Deswegen darauf achten, welche Wörter ihr oft benutzt und dann kontrollieren, ob sie Überhand nehmen.
Was die Faulheit angeht, so ist hier die Verbfaulheit gemeint. Also wenn zum Beispiel in jedem zweiten Satz von „sagen“ die Rede ist, wenn Figuren sprechen, obwohl es so viel mehr Auswahl für diese Tätigkeit gibt.
Aktiv statt Passiv!
Doch nicht nur gegen Verbfaulheit sollte man aktiv werden. Auch Passivsätze können einem den Text vermiesen, weswegen man lieber Aktivkonstruktionen verwenden sollte.
Statt: „Das Auto kam auf der breiten Auffahrt vor dem Haus zum Stehen“ lieber: „Das Auto hielt auf der breiten Auffahrt vor dem Haus.“
„Er brachte den Wagen zum Stehen“, klingt sehr poetisch, aber „Er hielt an“ tut´s auch. Passiv schöner, aber zu viel davon und man wird zum heillosen Romantiker. Was mich prompt zum nächsten Punkt bringt:
Show don´t tell!
Das ist auch ein Phänomen, dass für mich nicht eindeutig zu klären ist, nicht zuletzt auch, weil es uns unsere eigene „Schreibgeschichte“ vor Augen führt. Und wenn ich von Schreibgeschichte rede, meine ich Texte aus früheren Epochen. Was heute ein absolutes No Go ist, nämlich „Tell“ in eine Geschichte einzubauen, war früher gang und gäbe. Jane Austen nutzte das Werkzeug liebend gern und sie ist eine anerkannte Schriftstellerin und niemand der Groschenromanheftchen verzapft hat.
Doch was zu Jane Austens Zeit als völlig normal galt ist heute verpönt. Man soll dem Leser nicht direkt sagen, was eine Figur empfindet. Man soll nicht einfach schreiben: „Sie war glücklich“, oder aber als Zusatz in wörtlicher Rede: „„Ja“, sagte sie glücklich.“
Wenn man das so macht, können sich Leser nicht wirklich mit den Figuren identifizieren, können die Gefühle der Figuren nicht spüren.
Statt also zu schreiben, was ein Charakter fühlt, soll man es „beschreiben“. Mit der Körpersprache einer Figur, mit ihren Handlungen soll dem Leser gezeigt werden, was sie fühlt, so dass man Figuren vor lauter Glück durch die Räume tanzen lassen kann, dass man sie Dinge gegen Wände werfen lassen kann, dass Hände zittern, Tränen rinnen. Alles Mögliche eben, was passieren kann, wenn man es mit Gefühlen zu tun bekommt. Und genau da liegt das Problem. Diese Taktik geht nur auf, wenn man es mit Figuren zu tun hat, die nach Außen etwas zeigen. Also die schwitzen, weil sie Prüfungsangst haben. Die nicht mehr sprechen, sondern nur lächeln und gleichzeitig weinen, weil sie vor lauter Glück verwirrt und überwältigt sind. Doch wenn man eine sehr kalte, sehr kontrollierte Person hat, wird dieses System versagen. Also einfach mal drüber nachdenken und nicht immer alles für bare Münze nehmen.
Textfluss
Der Textfluss ist sehr wichtig. Wie wohl jedem klar ist. Denn ohne Fluss ist es Mist. Nur ein besseres Telegramm. Stopp. Nun lest das laut. Klingt nicht gut?
Ja, kein Wunder, weil die vorangegangenen Sätze alle fast gleich lang sind, was uns an einen Telegrammstil denken lässt, aber nicht an einen guten Roman. (Es war übrigens schwerer als ich dachte, in diesem abgehakten Stil zu schreiben.) Textfluss ist ebenso wichtig wie der Spannungsbogen und sollte nicht vernachlässigt werden, aber wie stellt man sicher, dass man ihn hat?
Zum einen in dem man seinen Text immer wieder testet. Das kann man machen in dem man ihn sich vorliest oder vorlesen lässt. Dabei muss man das nicht sonderlich laut machen. Ich selbst ertappe mich oft dabei, wie ich die Worte bereits beim Schreiben vor mich hinmurmele und so überprüfen kann, ob es passt oder nicht.
Wem das zu schräg ist, für den habe ich noch einen anderen Tipp: Zählt die Wörter in den Sätzen und sorgt dafür, dass sie nie gleich lang sind. Auf einen kurzen Satz, lasst einen längeren folgen. Dann einen noch längeren, einen kürzeren und so weiter. Sorgt für Variation. Was in der Ernährung gilt, ist auch beim Schreiben nicht falsch. Abwechslung macht´s.
POV
Als ich das erste Mal die Abkürzung POV in einer Geschichte las war ich ziemlich verwirrt. Zugegeben, ich fand die Geschichte toll, aber dass bei jedem Kapitel immer ein Name in Verbindung mit dem geheimnisvollen POV darüber stand, trieb mich etwas in den Wahnsinn, weil ich mich fragte, was das bedeuten soll, POV.
Heute kann ich da nur noch darüber lachen, denn, wie jeder weiß, ist POV die Abkürzung für Point Of View, also nichts anderes als eine Erzählperspektive einer Figur. Beziehungsweise in modernen Erzählungen sind es auch gern mehrere Figuren, die „zu Wort“ kommen dürfen. Etwas, dass früher kaum denkbar gewesen wäre, gab es da nur einen Erzähler und das war der auktoriale, allerhöchstens mal der neutrale Erzähler.
Heute hingegen wählen Autoren oft den personalen Erzähler, weil diese Perspektive den Leser mitten in die Geschichte versetzt und ihn mitfiebern lässt.
Aber, egal welche Perspektive man wählt, die Sache mit dem POV birgt ihre Gefahren und gerade Anfänger bieten zu viele POV´s in ihren Geschichten. Oft geschieht das aus dem Wunsch heraus, dem Leser die Figuren so nah wie möglich zu bringen, dafür zu sorgen, dass jede der Figuren verstanden wird. Die ständigen Wechselb bringen am Ende aber mehr Verwirrung als Verständnis. Daher mein Rat: Pro Figur eine Farbe vergeben und sich beim Lesen des Textes fragen, aus wessen Perspektive die Handlung gerade gesehen wird. Und dann mit der entsprechenden Farbe einfärben. So wird klar ersichtlich ob und wie oft man die Perspektive wechselt und ob es zu viel ist.
Die Zeichen werden nicht erkannt?
Warum schreiben Autoren?
Um eine Nachricht zu übermitteln. Um zu sagen, was sie stört, was sie gut finden. Deswegen schreiben Autoren und deswegen entstehen Geschichten nicht im luftleeren Raum, sondern mitten im Leben. Problematisch an dieser Art seine Meinung kundzutun ist nur, dass Autoren sich für die Übermittlung ihrer Meinung der Symbolik bedienen müssen, was sie vor gewisse Herausforderungen stellt.
Zum einen müssen sie wissen, wovon ihre Geschichte handeln soll und nein, dass ist nicht immer von Anfang an klar, zum anderen müssen sie sich überlegen, welche Symbole sie verwenden können, um dem Leser ihre Meinung / Nachricht verständlich machen zu können ohne, dass es zu Missverständnissen oder aber zur Klischeebildung kommt. Denn im ersteren Fall, wird der Leser das Buch irgendwann frustriert weglegen, den anderen gilt es, wenn möglich, zu vermeiden, da es als unfein gilt, sich eines oder mehrerer Klischees zu bedienen, wobei ich anmerken möchte, dass es bei vielen Problemen oft nicht möglich ist, ohne Klischees auszukommen, da manche Bilder einfach zu stark in unseren Köpfen eingebrannt sind, so dass Autoren zum besseren Verständnis ihrer Figuren darauf angewiesen sind.
Ein Beispiel aus der Praxis?
Depression.
Depression wird in den meisten Filmen und Büchern als Zustand der Lethargie geschildert. Beliebt ist das Beispiel der Person, die nur noch im abgedunkelten Zimmer liegt, die Körperpflege vernachlässigt und nichts auf die Reihe bekommt.
Die wenigstens wissen, dass es auch eine andere Seite gibt, die mit Unruhe, Energieschüben, bei gleichzeitiger Konzentrationsstörung und großer Freude einhergeht. All das kann auch eine Depression sein. Würde man aber so eine Figur in seinem Buch beschreiben, würde kaum ein Leser diese als depressiv einstufen, einfach weil sie nicht dem Bild entspricht, dass er gewohnt ist. Als Autor muss man also sorgfältig abwägen. Selbst wenn man darauf aufmerksam machen möchte, dass Depression nicht nur dumpfes vor sich hinbrüten ist, sondern auch andere Formen annehmen kann, kann es helfen ein paar „bekannte“ Symptome als Hilfestellung einzubauen, um Verständnis für die Figur und so für die Nachricht aufzubauen. Lehnt man diesen Mittelweg ab, kann es sein, dass die Zeichen zu subtil oder aber „falsch“ sind und der Leser sie nicht zu deuten vermag.
Spannungsbogen und tote Kapitel
Der nächste Punkt auf der Liste, der Sachen die es zu überarbeiten gilt, ist einer, den man als Autor eigentlich nicht allein überarbeiten kann, wie ich finde, denn, um den Spannungsbogen zu kontrollieren und „tote Kapitel“ zu vermeiden, steckt man als Autor oft viel zu tief drin.
Doch erst mal sollte ich erklären, was ein „totes Kapitel“ ist.
Ein „totes Kapitel“ ist ein Kapitel, in dem in Sachen Handlung nichts passiert. Es gibt keine neuen Konflikte, es werden keine neuen Informationen geliefert, keine Probleme gelöst, es gibt wenig, bis keine Spannung und auch die Beziehung zwischen den Figuren wird nicht wirklich vorangetrieben. Ja, solche Kapitel können trotzdem schön sein, aber in den meisten Fällen geht es auf Kosten des Spannungsbogen, wenn man sie im Entwurf behält. Und was passiert, wenn der Spannungsbogen zu sehr strapaziert wird ist, denke ich, klar. Es wird langweilig, der Leser legt das Buch weg. Und das wollen wir nicht. Einziger Weg das zu vermeiden: raus mit toten Kapiteln. Und um sie zu erkennen, gibt es drei gute Methoden: Das Festlegen eines Spannungsbogens, bevor man überhaupt den Erstentwurf schreibt, die Sol Stein Methode und das Zuziehen von Testlesern.
Schema F:
Zugegeben, diese Methode eignet sich nicht für jeden, aber sie kann helfen, den Spannungsbogen einzuhalten und tote Kapitel zu vermeiden. Noch bevor man den Erstentwurf schreibt, überlegt man sich, wie die Geschichte von Anfang bis Ende aussehen könnte. Nicht bis in das allerletzte Detail, versteht sich von selbst, aber die groben Stationen sollten klar sein und sie sollten einer der klassischen Erzählstrukturen (Heldenreise, Drei Akt Struktur…) folgen. Auf diese Art kann man seine Erzählung auf ein Ziel ausrichten und verhindern, dass Unnötiges auftaucht. Wildwuchs wird so begrenzt, der Spannungsbogen erhalten.
Für wen das nichts ist, weil er seine Geschichte selbst noch nicht kennt, der kann versuchen den Wildwuchs im Nachhinein einzudämmen, in dem er das überflüssige Zeug entfernt. Eine Möglichkeit das zu tun wäre die folgende.
Sol Stein Methode:
Diese Methode wird auch die Triage Methode genannt und ist vom Vorgehen in Kriegslazaretten inspiriert. Bei solchen kommt es darauf an in einer Krisensituation die eingelieferten Patienten in drei Gruppen einzuteilen. In die, welche nur leicht verletzt sind und ohne Hilfe überleben. In die, welche dem Tode geweiht sind, egal was man tut, weswegen man sie einfach zum Sterben vor die Hütte trägt und in die Gruppe, die zwar verletzt sind, aber bei denen eine OP oder Medikamente noch helfen können, weswegen man handeln muss.
Und so geht man nun beim Entwurf vor: Man liest ihn sich durch und fragt sich bei jeder Szene, welcher der Kategorien man sie zuordnen würde, müsste man Kriterien wie Informationsvermittlung, Spannungsaufbau, Konfliktaufbau oder andere Kriterien anlegen.
Ich setze mir immer Informationsvermittlung als Kriterium und fragte mich, ob die Szene für die Geschichte unbedingt notwendig ist, da ich immer Probleme mit dem Spannungsbogen habe, aber jeder kann das machen, wie er oder sie will. Fakt ist, die Methode hilft Szenen zu entfernen, denen nicht mehr zu helfen ist. Sie zeigt einem aber auch, wo man etwas gut gemacht hat, was dazu führt, dass die Überarbeitung doch nicht zu einer einzigen Pein verkommt.
Alpha und Betaleser
Sie sind die Krönung in Sachen Entwurfüberarbeitung, aber auch gleichzeitig der schwierigste Abschnitt in der Überarbeitung und trotzdem kommt kein Autor an ihnen vorbei. Unter Autoren kursieren verschiedene Bezeichnungen für solche Leute: Alphaleser, Betaleser, Testleser, Korrketurleser… Ich würde gern sagen, die machen alle das Gleiche, aber dem ist nicht so, weswegen ich versuchen will kurz zu umreißen, was was ist und warum ich sie zwar schätze, aber genauso fürchte.
Alphaleser:
Manche Autoren greifen auf Alphaleser zurück. Gemeint sind hier Menschen, die den Entwurf zu sehen bekommen, wenn oftmals nur das Gerüst der Idee vorhanden ist. Entsprechend wenig kann ein Alphaleser an Stil oder Grammatik meckern. Seine Aufgabe ist viel mehr zu sagen, ob die Grundidee spannend scheint und ob die Spannungskurve eingehalten wurde oder nicht, bevor auch nur groß etwas geschrieben wurde.
Betaleser:
Betaleser kommen ins Spiel, wenn der Erstentwurf steht. Wann genau ist bei jedem Autor unterschiedlich. Ihre Aufgabe? Die Geschichte nach dem Inhalt (Wie gut versteht der Leser die Logik der Geschichte? Wie findet der Leser oder die Leserin die Figuren? Ist die Geschichte spannend? Gibt es Informationen, die fehlen oder die überflüssig sind?), als auch auf Rechtschreibfehler oder auf den Stil hin zu untersuchen und seine / ihre Meinung dazu abzugeben. Da ein Betaleser oft nichts oder wenig über die Geschichte weiß, kann er einem Autor die Rückmeldung geben, die ein wirklicher Leser später auch geben könnte. So können sie Fehler und Schwachstellen aufdecken, die dem Autor oder der Autorin mit ihrem Insiderwissen gar nicht aufgefallen wären. Und oft liefern sie auch erstaunliche Deutungen und schenken Details Aufmerksamkeit, an die man als Autor nicht im Traum gedacht hätte. Ich selbst nenne Betaleser auch oft „Testleser“, weil es genau das ist, was sie sind. Sie sind die ersten Leser meines Buches, bevor es in den Druck geht.
Warum sind sie schwierig?
Oft haben Autoren ein relativ gestörtes Verhältnis zu ihren „Testlesern“, wobei sich das meist vorrangig auf die Betaleser, weniger auf die Alphaleser bezieht, was zum einen daran liegen mag, dass die meisten Alphaleser selbst Autoren sind und daher eine andere Herangehensweise an die Entwürfe von Kollegen und Kolleginnen haben.
Betaleser sind „normale“ Menschen und bringen von daher auch das ganze Set an „normalen“ Problemen mit sich, die man im Umgang mit solchen hat: Mangel an Disziplin (der Entwurf wird ewig nicht gelesen, man muss ihnen hinterherlaufen oder aber sie verlassen einen mittendrin ohne Rückmeldung zu geben), Begeisterung ohne wirklich klar sagen zu können, was sie toll fanden, Ablehnung ohne klar sagen zu können, was sie abgelehnt hatten (in beiden Fällen lautet die Antwort meist: Alles), sich widersprechende Aussagen zu Szenen, Figuren oder Kapiteln, so dass der Autor selbst entscheiden muss, wem er nachgibt.
Die Kritik, die man von Autoren an ihren Testlesern hört ist überall die Gleiche. Leider. Warum das so ist, weiß ich auch nicht. Alles, was ich mir vorstellen kann ist, dass heute Leute schnell ihre Hilfe versprechen und dann feststellen, dass sie sie doch nicht leisten können. So oder so ändert es aber nichts daran, dass Autoren auf Tester angewiesen sind und sich für jedes neue Werk auf die Suche machen müssen. Ein generelles Erfolgsrezept für den Umgang mit ihnen habe ich übrigens auch nach fast 5 Jahren nicht gefunden, aber inzwischen kalkuliere ich ein, dass wenn ich 10 Tester haben möchte, ich mindestens 20 Leute anschreiben und wöchentlich erinnern muss.
So und damit bin ich am Ende mit meiner Liste.
Ich hoffe ihr bleibt mir weiterhin treu, auch wenn die letzten Artikel recht lang waren und wir lesen uns nächsten Monat wieder.