Rezension: John le Carré “The Spy that came from the Cold”
Wieder eines von Carrés bewundernswert komplizierten Gebilden, die er Buchplot nennt.
In diesem Werk trifft man an Leamas, einen britischen Agenten, der in Berlin stationiert ist und für London die hohen Kader der SED um Informationen erleichtern soll.
Als wir Leamas zum ersten Mal kennenlernen, laufen die Dinge mehr als schlecht für ihn, denn sein Agentennetzwerk, dass er sich mühevoll aufgebaut hat, wird in der Eingangszene mit dem Tod seines letzten Informanten, Karl Riemeck, endgültig zerschlagen und Leamas muss als Verlierer nach London zurückkehren. In London angekommen, wird er vom Geheimdienst halbherzig auf einen Büroposten gesetzt, den er jedoch nicht lange macht, denn Bürotätigkeiten, so sagt er selbst, sind einfach nichts für ihn. Er ist niemand, der einfach nur Papiere hin und herschiebt. Aufgrund seiner unehrenhaften Rückkehr und dem schlechten Job beginnt für Leamas eine Abwärtspirale, mit historisch korrektem Kettenrauchen, gesundem Basisalkoholismus und letzten Endes dem Rauswurf aus seinem Job, sowie dem Durchschlagen in diversen Gelegenheitsjobs und Schuldenmachen.
Ein Ende dieser Krise ist erst in Sicht, als Leamas alter Chef, Control, mit Werken le Carrés vertrauten auch als George Smiley bekannt, an ihn herantritt und ihm Gelegenheit gibt die Scharte die er hat erleiden müssen wieder auszwetzen.
Control eröffnet Leamas, dass sie wissen, wer für den Tod seines Netzwerkes verantwortlich ist und das London diesen Jemand ans Messer geliefert bekommen möchte. Bei dem Verdächtigen handelt es sich um niemand geringeren als Mundt, Chef der SED Sicherheitsabteilung und somit obersten Stasi Boss, der in der kurzen Zeit, die er im Dienst der Parteil verbracht hat eine steile Karriere hingelegt hat. Leamas soll für London als abtrünniger Spion nach Ostberlin eingespeist werden und sich dort an Mundt heranwagen um ihn zu verhören und zu überführen. Wenn er diese Aufgabe, die Liquidierung Mundts, erledigt hat, kann er wieder nach Hause kommen.
Leamas sagt zu und damit beginnen die Probleme.
Innerhalb kurzer Zeit springen die Spione des Ostens auf ihn und die Informationen die er zu verkaufen bereit ist an. Als er aber in das Herz des Netzwerks vordringt und sich Mundt gegenübersieht, fliegt er, scheinbar von den eigenen Leuten in London verraten, auf.
Sein Rückweg abgeschnitten bleibt ihm nichts anders übrig als mit den Feinden Mundts in den eigenen Rängen zu kooperieren um den der sein Netzwerk zerstört hat ans Messer zu liefern, als es zu einer unerwarteten Wendung kommt, an deren Ende sich Leamas gerade noch so seinen Kopf aus der Schlinge ziehen kann, nur um auf der Flucht erschossen zu werden.
Die Hauptfigur des Buches hat mich nicht ganz so beeindruckt wie die des “Night Managers”, vielleicht liegt es daran, dass die Hauptfigur Leamas nicht ganz dem entspricht, was man sich unter einem schneidigen Geheimagent vorstellt? Denn so wie er im Buch beschrieben wird, sieht man eher einen kleinen, etwas dicklichen Mann vor sich, der vermutlich in jeder Menge untergehen könnte. Was um ehrlich zu sein, die beste Vorrausetzung ist um Geheimagent zu werden, schließlich sollen diese nicht auffallen.
Wie immer sind die Hauptfiguren bei Carré wenig detailreich, etwas, dass mir schon im ersten Buch aufgefallen war, dass ich damals aber noch der individuellen Figur zugeordnet hatte. Jetzt aber stelle ich fest, dass es wohl System hat. Die Figuren werden äusserlich kaum beschrieben, der Leser erfährt nur wenig von ihnen, erhält wenig Einsicht in ihre Gefühlswelt.
Carré fesselt mehr mit der Aktion und, in diesem Buch, dem Aufeinanderprallen von Vorstellungen.
Ein gutes Beispiel hierfür ist die Figur des “Fiedler”, ein Agent der Ostdeutschen, dessen Aufgabe es ist Leamas zu verhören und der ihn mit der Vorstellung der marxistisch - leninistischen Moral gegenüber dem Moralsystem des Westens konfrontiert.
Fiedler fragt Leamas nach seiner Motivation für seinen Job. Warum, so will Fiedler rausfinden, tut Leamas was er tut und wie geht er mit dem Fakt um, dass seine Arbeit andere Menschen das Leben kostet? Für ihn, Fiedler ist klar, dass die Toten einem höheren Zweck dienen. Sie sind notwendige Opfer auf dem Weg zum Endziel der marxistisch -leninistischen Ideologie.
Aber was ist der Antrieb, der Motor, wie Fiedler es nennt, für jemanden wie Leamas?
Folgerichtig geht es bei Carré nicht um Verhöre in verrauchten Hinterzimmern, schießen bis der Colt raucht oder aber dunkle Seitenstraßen in denen sich Männer zweifelhafter Natur treffen um im Zwielicht Informationen gegen hohe Geldsummen auszutauschen. Das gibt es auch, aber daneben gibt es noch die Fragen, was Menschen motiviert, es geht darum zu zeigen, dass die Welt nicht schwarz oder weiß, sondern vielmehr eine Ansammlung von Grautönen ist und dass wie Leamas es am Ende sagt, Menschen so oder so sterben, wobei er nichts dagegen unternehmen kann, egal wie krank ihn das macht und er sich in Folge dessen nicht mehr fragt wer nun der Gute oder wer der Böse ist. Solche Kategorien versagen bei Carré völlig. Letztlich können sich sowohl die Figuren als auch der Leser nur für eine Seite entscheiden und hoffen, dass die eigene Seite gewinnt.
Fazit: Wer mehr von seinem Spionageroman erwartet, als Frauen die sich dem Agenten zu Füßen werfen, rauchende Colts und ständig auf Trab gehaltene Intuition, die genau im richtigen Moment die richtigen Signale und Lösungen in die Runde wirft, wer Hirn erwartet und gern über Moralvorstellungen und Weltbilder nachdenkt, der wird bei Carré an der richtigen Adresse sein.