Nach den Regeln der Kunst
Vor einiger Zeit habe ich mich auf einer in Deutschland bekannten Internetplattform für Autoren und angehende Schriftsteller angemeldet, die mir von zahlreichen Bekannten und Kollegen und Kolleginnen empfohlen wurde. Die Stimmung auf der Plattform sollte nett sein. Die Mitglieder, eine Mischung aus erfahrenen Autoren und angehenden Hobbyschriftstellern, sollten sich gern untereinander helfen und sich gegenseitig auf ihrem Weg durch den Schreib- und Publikationsdschungel begleiten.Für meine Ohren klang das ideal. Ich registrierte mich, wartete gespannt und wurde prompt verwirrt und enttäuscht.Das Erste was ich erfuhr war, dass ich nicht sofort meine eigenen Texte hochladen dürfte. Bevor ich mich selbst auf dieser Plattform produzieren und der Kritik stellen darf, muss ich mich als wertvolles Mitglied der Gemeinschaft beweisen, in dem ich die Texte anderer Mitglieder kritisiere. Die Texte anderer kritisieren … Das ist etwas mit dem ich mich sehr schwer tue, denn schreiben ist für mich Kunst und jeder hat seinen eigenen Stil und Geschmack. Da was dran zu kritisieren wäre, wie wenn man über Mode diskutieren würde, was man bekanntlich nicht tut.Es half aber nichts, ich musste mich dennoch rauswagen und suchte mir einen Text zum kritisieren aus.Nachdem ich fündig geworden war, gab ich, zugegeben etwas zaghaft, einige Punkte an, die mir an diesem Text nicht gefielen und übte, getreu den Plattformregeln, auch positive Kritik aus.Hier könnte ich jetzt ins Detail gehen, erspare es mir aber, weil das sonst den Rahmen sprengen würde. Stattdessen möchte ich nur erwähnen, dass mein Kommentar bereits nach wenigen Stunden gesperrt wurde.Als Begründung dafür wurde von den Admins angegeben, dass meine Art Kritik zu üben nicht den drei goldenen Regeln entspräche, die da besagen, dass Kritik höflich formuliert sein müsste, dass sie dem Autor weiterhelfen sollte und das in jeder Kritik etwas Neues erwähnt werden sollte. Es würde nicht reichen, dem Vordermann / der Vorderfrau zuzustimmen.Ich starrte etwas befremdet auf die Mail. Fragte, wo ich meine Kritik nicht höflich formuliert hätte und inwiefern meine Kritik nicht hilfreich gewesen sein sollte. Darauf bekam ich zu hören, dass ich keine konkreten Textstellen zitiert hätte und das ich keine konkreten Fachbegriffe verwendet hätte. Jetzt begann ich aufzuhorchen. Fachbegriffe? Sorry, aber auf Fachbegriffe gebe ich in den meißten Fällen keinen Deut. Ich kenne auch keine und ich habe ausser vielleicht ein oder zweimal meine Nase auch nie in einen Schreibratgeber gesteckt. Ich schreibe aus dem Bauch heraus und habe meinen Stil über die Jahre hinweg allein entwickelt und verfeinert. Mein Grundrezept dabei ist, dass ich zum einen auf die Kritik meiner Leser höre und selber sehe, was mich an meinen Texten stört. Das ist nach meinen Begriffen Entwicklung.Ein Autor, der von Beginn an auf Schreibratgber angewiesen ist, wie jemand der über das Atmen nachdenken muss. Auf Dauer führt das nur zu Schluckauf und für mich ist es etwas Künstliches, etwas von oben Aufoktroyiertes. Wenn jemand erst lernen muss zu schreiben, bevor er zur Feder greift, dann scheint mir etwas falsch.Ebenso wie es mir falsch vorkommt Schreibratgeber und Fachlexika geradezu auswendig zu lernen, um dann die entsprechenden Bingowörter Anfängern um die Ohren zu hauen. Da müssen sie sich nicht wundern, wenn keiner versteht, wovon sie reden.Aber vermutlich ist das genau die Absicht der auf dieser Plattform vertretenen. Es geht nur darum sich von allen anderen Menschen abzuheben und den Eindruck zu vermitteln, wie schwer es doch ist zu schreiben. Nach dem Motto: Wenn es nicht kompliziert klingt, könnte es jeder!Gleichzeitig wird ein Neuling aber damit in die Irre geführt, dass es heißt sie wären ein Treffpunkt für Hobbyautoren. Es tut mir leid, aber wenn ich Unmengen von Geld und Zeit in etwas stecke, ist es nach meiner Meinung kein Hobby mehr, sondern wird schon zum Beruf.Besonders dann, wenn gegenüber anderen Menschen, die nicht mit den entsprechenden Begriffen um sich werfen, gern mal der Profi rausgehangen wird, während man sich mit seinen Antworten aber zugleich diskreditiert. Ja, sorry, wenn mich einer fragt, ob ich mit “direkter Rede” einen “Dialog” meine, dann weiß ich auch nicht mehr weiter.Ich verstehe das nicht. Warum müssen sich die Deutschen, denn tut mir leid, aber das ist was, dass ich nur im deutschen Sprachraum erfahren habe, immer so panisch an Fachbegriffe und Regeln klammern und gegenüber jedem der sie nicht so hoch schätzt den großen Macker raushängen lassen? Das verdirbt einem den ganzen Spaß an der Sache und animiert mich nicht gerade zum mitmachen. Im Gegenteil, ich suche das Weite und beschließe, dass ich lieber weiter Einzelkämpfer bleibe, anstatt mich mit Menschen mit Scheuklappen auseinanderzusetzen.Wie denkt Ihr darüber?Sind solche Plattformen ein Tummelplatz der Regelwächter und Bingowortmacker oder ein Ort an dem sich Autoren, egal, welcher Liga, untereinander helfen und miteinander kommunizieren können? Was sind Eure Erfahrungen in dieser Hinsicht und was würdet Ihr verbessern, wenn Ihr negative Erfahrungen gemacht haben solltet?