#mybookchallenge - Tag 11
Keine leichte Aufgabe für Tag 11, aber hier ist sie, die kurze Szene mit Charlotte beim Konzert. Beziehungsweise auf dem Weg dahin. Leider nicht ganz so unentdeckt, wie Charlotte es gern hätte.
„Sie sind schon hier“, stöhnte Charlotte, als, kaum das wir aus dem Auto stiegen, ein Blitzlichtgewitter auf uns niederging. „Einfach nicht beachten. Sonnenbrille auf und weitergehen“, riet sie mir und schob, schwupps, routiniert eine überdimensionale Brille auf ihre Nase, die sie aus der Brusttasche ihrer schwarzen Lederjacke gezaubert hatte.
Ich folgte ihr und runzelte die Stirn. „Solltest du nicht irgendetwas sagen?“
Die Journalisten übertönten sich inzwischen gegenseitig in ihrem Eifer Charlotte irgendeine Antwort zu entlocken.
Für einen Moment glaubte ich sie mit einer Schulter zucken zu sehen.
„Nein, heute bin ich privat hier. Und was sollte ich denen schon zu sagen haben?“
„Keine Ahnung“, gab ich zurück. „Denke das kommt auf die Frage drauf an.“
„Und? Welche Frage sollte das sein?“ Sie hatte die Brille etwas heruntergezogen und sah mich über den Rand hinweg an.
Ich schüttelte den Kopf. „Keine Ahnung. Du bist der Star. Du hast die meiste Erfahrung mit solchen Situationen.“ Ich deutete auf die Wand aus Fotografen und Journalisten zu unserer Rechten.
Charlotte seufzte. „Na schön“, meinte sie, nahm die Brille ganz ab und zauberte ein warmes Lächeln auf die Lippen, dass jeder Depp außer mir für echt gehalten hätte. Ich allerdings sah, dass es ihre Augen nicht erreichte und fragte mich, wie gut sie heute wirklich drauf war. Ihre Krankheitsanzeichen sah man nämlich nicht immer klar und deutlich wie man sich das würde wünschen wollen. Und wann hatte sie eigentlich das letzte Mal ihre Medikamente genommen?
Inzwischen stand sie vor der versammelten Front aus Handies und Menschen. Eine verlorene, einsame Figur vor einer zusammengepressten Meute. Ich schüttelte leicht den Kopf, angesichts des Bilds. Die Welt war verrückt geworden. Charlotte hätte mir da sicher aus vollstem Herzen zugestimmt.
„Nein, ich bin privat hier. Freunde besuchen Freunde“, sagte Charlotte gerade. Auch wenn das für Normalos schwer vorstellbar ist, dass auch Künstler nur ein ganz normales Leben mit ganz normalen Alltäglichkeiten führen, fügten ihr Blick und ihre geschürzten Lippen hinzu, als sie sich für einen Moment zu mir umdrehte und ich ihr Gesicht sehen konnte.
Charlotte, lass das!, ging es mir durch den Kopf. Das würde nur wieder Ärger geben, wenn sie die Zickige spielte. Dabei war sie so gar nicht. Warum musste sie ihre Müdigkeit, Schwäche und Angst immer damit kompensieren, dass sie einen auf Arschloch machte?
„Sind die Babynews wahr?“, rief jemand von weiter hinten.
„Babynews?“ Charlotte blickte auf ihren Bauch in der hochgeschlossenen blauen Jeans hinab. „Babynews? Also ich weíß nicht ob sie einen normal geformten Bauch Babynews nennen können. Tut mir leid, aber nicht jede von uns ist mit einem Flachbrettbauch gesegnet.“
„Also stimmt es nicht, was der Chronicle neulich geschrieben hat?“
„Sicher nicht für mich.“
„Planen Sie denn überhaupt eine Familie?“
Charlotte überlegte, ehe sie antwortete: „Nein, ich plane überhaupt nichts.“
„Was sagt Tom dazu?“
„Sicher das selbe wie ich.“ Ihr Tonfall deutete ein Lächeln an und die Tatsache, dass sie die Brille wieder aufklappte und auf die Nase schob, war ein klares Signal an die Presse, dass die Audienz beendet war und ein klares Signal an mich, dass sie weitergehen wollte.
„Unglaublich“, knurrte sie, als wir den roten Teppich entlang hasteten und im Hintereingang der Halle verschwanden. „Ob wir eine Familie planen? Gibt es nichts weltbewegenderes mehr? Was ist mit dem Klimawandel, dem Artensterben? Warum kann man nicht einfach fragen, was meine Meinung dazu ist?“
„Falsche Zielgruppe“, murmelte ich. „Für die Regenbogenpresse zählen nur Heiraten, Kinder und Kinderbilder, Eheskandale, wer betrügt wen mit wem und andere Schlammschlachten. Vielleicht noch der Tod, aber garantiert nicht das Artensterben oder der Klimawandel.“
„Stimmt auch wieder. Wenn das in den Tabloids angekommen ist, wissen wir, dass es definitiv zu spät ist. Apropos, hab ich dir schon erzählt, dass ich Tom endlich dazu bekommen habe den Jaguar gegen einen Hybrid zu tauschen?“