“Hüter” - Das Überarbeiten nach dem Lektorat

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Wer dem Blog und mir folgt, weiß, es gibt ein Projekt, ein Herzensprojekt, an dem ich seit Jahren arbeite. Jap, die Rede ist von „Hüter“, das seit gut 8, ich glaube schon fast 9 Jahren aktiv ist und das sich immer weiter wandelt, wenn auch nur in kleinen Schritten, aber immerhin.

Anfang diesen Jahres, habe ich mich getraut über meinen Schatten zu springen, den nächsten Schritt in Sachen Überarbeitung zu tun und habe die 3. Überarbeitung an eine Lektorin gegeben. Nicht nur aus reiner Neugier, weil ich endlich wissen wollte, wie das ist, wenn man mit einer Lektorin / einem Lektor arbeitet, sondern auch weil ich bei dem Manuskript langsam aber sicher nicht mehr klarkam. Obwohl ein Text von Überarbeitung zu Überarbeitung theoretisch besser werden sollte, klar, sonst würden wir ihn ja nicht überarbeiten, hatte ich den Eindruck, dass ich mit der letzten Überarbeitung mehr kaputt, als besser gemacht hatte. Daher brauchte ich Hilfe. Dringend. Denn ich hatte absolut keine Ahnung, was schiefgelaufen war, wo die Leichen vergraben lagen und leider war der Text inzwischen auch viel zu umfangreich und immer noch zu unausgegoren, um ihn meinen üblichen Betalesern zumuten zu können. Länge und Komplexität der Sache hätten den Rahmen gesprengt.

Zudem war mir auch klar, dass ich bei Hüter irgendwann einmal einen Lektor / eine Lektorin einsetzen wollte. Bisher war dieses „irgendwann“ allerdings immer in weiter Zukunft. Tja, die Entwicklung des Textes hat diese ferne Zukunft schneller Gegenwart werden lassen, als ich dachte und da ich noch ein wenig Geld übrig hatte und ich absolut nicht mehr weiterkam, sah ich keine andere Wahl, als jemanden einzuschalten, der deutlich mehr Ahnung hat als ich und der Texte solcher Länge bearbeiten kann. So kam ich an mein erstes Lektorat.

Doch bevor ich näher darauf eingehe, um was es in meinem Lektorat ging, hier noch einmal kurz eine Rekapitulation, um was es bei Hüter eigentlich geht und was den Text so kompliziert macht:

Hüter umfasst derzeit fast 500 Normseiten.

Es ist also schon ein Text von einer ziemlichen Länge. Also nichts, was ein normaler Beta- oder Testleser mal eben so an einem Wochenende oder in einer Woche lesen kann. Leider.

Neben der beachtlichen Länge kommen noch die vielen Figuren und Schauplätze hinzu, an denen die Geschichte spielt. Es gibt insgesamt 9 Figuren, 7 Hüter und Hüterinnen und noch drei Nebenfiguren, die etwas zu sagen haben, wobei die Geschehnisse selbst vorrangig aus der Sicher von 2 Hütern erzählt werden. Was in Konsequenz bedeutet, dass die Geschichte zwei Teile und zwei Zeitlinien hat, wenn man es so nennen möchte, denn beide Figuren erzählen von den Dingen, die um und am Silvester passieren.

Doch, als wäre das noch nicht anspruchsvoll genug, gibt es noch andere Figuren, die ebenfalls kurz zu Wort kommen und Teile der Geschichte aus ihrer Sicht erzählen. Zumindest in der 3. Überarbeitung.

Zu diesem Chaos gesellen sich dann die Schauplätze überall auf der Welt, zu denen die Handlung uns führt und wer bis jetzt noch nicht verwirrt ist, der ist es spätestens dann.

Das Lektorat – Um was es ging

Was an sich als sehr gute Idee begann ist also komplett aus dem Ruder gelaufen und als ich um ein Lektorat bat, ging es mir darum genau das zu beheben. Beziehungsweise herauszufinden, wo genau ich falsch abgebogen bin. Mir ging es nicht um Stil oder Rechtschreibung. Mir ging es bei diesem Lektorat erst einmal darum, zu prüfen, ob die Idee an sich gut ist, ob die Figuren gut entwickelt sind und wo die Fehler in der Struktur der Geschichte liegen. Im Endeffekt könnte man sagen, ich habe das Fundament prüfen lassen, bevor ich weiter Zeit in das Projekt investiere.

Das Lektorat – Die Rückmeldung

Nachdem meine Lektorin drei Tage damit verbracht hat die Geschichte zu lesen und auseinanderzunehmen war die erste Rückmeldung, dass die Idee an sich interessant sei. Sicher nichts Neues unter der Sonne, typische Heldenreise, typisches Teenies retten die Welt, aber bisher geht diese Idee immer.

Auch die Figuren waren gut gemacht, überzeugend in ihren Motiven und ihrer Art und einige von ihnen konnten das Herz der Lektorin schnell erobern. Natürlich waren aber nicht alle Figuren gut gemacht. Einige waren so geschrieben, dass es mir nicht gelungen war, ihre Motive herauszubringen, so dass sie nicht überzeugen konnten und die Lektorin sich fragte, warum ausgerechnet diese Figur, diese Position in der Struktur einnimmt, die sie einnimmt. Heißt also, ich muss an einigen Figuren noch feilen, muss dafür sorgen, dass sie sympathischer werden, ihre Motive besser herüberkommen.

Der wirkliche Fehler bei „Hüter“ aber liegt klar in der Struktur. Es ist ein Versuch zu viel in einen zu engen Rahmen zu quetschen. Was heißt, ich muss den Rotstift ansetzen.

Das war mir auch schon vorher klar, allerdings nicht wo genau.

Die Lektorin hingegen konnte es mir zeigen und sagte, es gäbe zwei große Elemente oder zwei Abschnitte in der Geschichte, die beide für sich allein stehen könnten und als eigenständige Geschichte überleben könnten. Mein Problem allerdings sei, ich müsse mich für eines von beiden entscheiden. Alles andere sei es schlicht zu viel. Entweder kann ich die Suche nach Mitstreitern oder den epischen Endkampf „zeigen“ (Ja, ich weiß, da gibt es nichts zu entscheiden. Epischer Endkampf bietet bessere Bilder.), aber nicht beides. Zumindest nicht in der Länge.

Neben diesen zwei großen Punkten gab es aber noch zahlreiche andere, teilweise sogar sehr lustige Fehltritte, die durch das Lektorat aufgezeigt wurden, die mir so vorher noch nie aufgefallen sind.

Zum Beispiel hatte die Lektorin aufgezeigt, dass für eine Welt im Katastrophenzustand alles recht zivilisiert, ruhig, ja normal abläuft. Die Welt geht unter, Monster jagen durch die Straßen und trotzdem gehen die Leute weiter auf Reisen, machen Stadtführungen, sitzen gemütlich in Cafés …

Im Nachhinein ist es völlig logisch, dass wenn Godzilla die Stadt besucht, die Menschen nicht mehr in Ruhe ihren Cafe au lait auf der Terrasse nehmen werden, aber wie gesagt mir ist es beim Schreiben nie aufgefallen, ich habe es nie in Frage gestellt.

Doch kommen wir jetzt eher zu der Frage, was man tut, wenn ein Manuskript aus dem Lektorat zurückkommt. Wie genau sieht es aus? Wie sieht die Weiterarbeit danach aus?

Nach dem Lektorat ist vor der Überarbeitung

Als Erstes möchte ich mit einem Mythos aufräumen: Wenn ein Text vom Lektor kommt, dann hat man nicht den Supertext in der Hand, an dem man nichts mehr machen muss.

Im Gegenteil.

Wenn man einen Text aus dem Lektorat zurückbekommt, wimmelt der nur so von rot angestrichenen Stellen, Vorschlägen für Streichungen, für zusätzlichen Erklärungen, vor Fragen und Kommentaren, so dass es so aussieht, als habe man einen geordneten Text ab- und ein totales Chaos zurückbekommen.

Was sich dann einstellt, wenn man so die Seiten durchguckt, sind zwei Gefühle.

Zustimmung, absolute und rückhaltlose Zustimmung, und dann das Gefühl überfahren worden zu sein, weil man nicht nur gleich anfangen will, aber nicht weiß, wo man zuerst anfangen soll den Text abzuändern, sondern auch, weil man noch gar nicht weiß wie!

Der Kern an einem Lektorat ist, dass es einem die Fehler, die man gemacht hat, die Dinge, die man ändern muss, aufzeigt, aber wie man diese Änderungen erreicht, muss man selbst überlegen.

Was die aufgezeigten Fehler und Änderungen anging, konnte ich nicht anders, als der Lektorin völlig zuzustimmen. Aber dann, als ich die Änderungsvorschläge annahm, wuchs das Gefühl des Überfahrenseins und die Frage nach dem „Wie? Wie setze ich das um? Wie soll ich das ändern?“ wurde immer lauter. Denn es ist das eine die Fehler zu sehen und gleichzeitig einen Weg zu haben, sie zu ändern oder aber die Fehler zu sehen und eben keinen Weg zu sehen.

Sicher, ein guter Lektor wird einen da nicht komplett hängen lassen. Er gibt Anregungen, macht Vorschläge, wie man die Änderung erreichen könnte, aber, und das darf man nicht vergessen, am Ende kommt es auf den Autor an. Der Autor muss die Vorschläge versuchen umzusetzen.

Das heißt, die Vorstellung, dass ein Manuskript zum Lektor gegeben und danach perfekt zurückkommt, vergesst es! Genauso ein Mythos wie ein Einhorn. So läuft das nicht.

Nach dem Lektorat ist also vor der nächsten Überarbeitung, aber wie macht man das?

In meinem Fall kann ich es auf sechs Schritte herunterbrechen.

1. Schritt:

Lesen. Und zwar die Anmerkungen und die Zusammenfassung, die ihr bekommen habt.

2. Schritt:

Sacken lassen. Das sind ziemlich viele Informationen die man da bekommt und manches davon wird nicht einfach zu ertragen sein, daher, bevor man anfängt, damit zu arbeiten, muss man das sacken lassen. Und wenn man das getan hat, beginnt die Phase in der man sich überlegt, wie man das alles umsetzen soll / kann, ohne nicht alles noch mal schreiben zu müssen. (Wobei das manchmal auch der Fall sein kann, dass man alles noch mal machen muss.)

3. Schritt:

Löschen. Streichen. Rauswerfen.

Ich habe alle Kapitel, von der die Lektorin der Meinung war, dass sie unnötig wären, weil sie einen neuen POV aufbrachten und Dinge unnötig verkomplizierten, gelöscht. Rücksichtslos gelöscht.

Und danach habe ich an die Kapitel davor und danach noch ein paar Informationen gesetzt, damit ich wusste was ich gelöscht habe und wie ich die Informationen, die die gelöschten Kapitel enthielten, anders in die Geschichte bringen könnte.

Beispiel?

Das Kapitel in dem Pater Raoul, einer der Bibliothekare in Rom in einem Café erfährt, dass Levi und seine Schwester in einer Polizeistation sind, habe ich gelöscht. Ich hielt es ursprünglich für wichtig so ein Kapitel einzubauen, um zu erklären, was mit Levi und seiner Schwester nach der Verhaftung im Petersdom passiert und um zu zeigen, wie Pater Raoul sie herausboxt. Nach dem Lektorat wurde mir aber klar, dass ich das Herausboxen auch so zeigen kann, ohne ein zusätzliches Kapitel aus Pater Raouls Sicht notwendig zu haben. Macht die Geschichte sauberer und kürzer.

Nicht zuletzt, weil das nicht das einzige unnötige Kapitel war.

4. Schritt

Das Löschen von unnötigen Kapitel und das Einfügen von kleinen Informationsstückchen in die anderen Kapitel ist eine Sache, doch die wirklich komplizierten Änderungen kommen erst. Nämlich die, bei denen man sich fragt, wie man sie umsetzen soll.

Dabei geht es um Änderungen in der Struktur der Geschichte. Änderungen, die bedeuten, dass man ganze Kapitel umschreiben muss, einfach weil es mit ein paar zusätzlichen Informationen nicht mehr getan ist.

Am Anfang kann das ziemlich verwirrend sein. Man weiß nicht nur nicht, wie man es ändern kann, sondern auch oft nicht, wo man anfangen soll. In einer guten Geschichte hängt alles mit allem zusammen. Wenn man da an einem Faden zieht, dann war es das. Dann räufelt sich aufeinmal das ganze Ding auf.

Wie also vorgehen?

Mein Plan ist es, mir einen Plan zu machen.

Man kann nicht alles gleich schaffen, kann nicht an tausend Brandherden gleichzeitig sein, daher lege ich mir eine Tabelle an, in der ich eine Zusammenfassung des Kapitels habe, in der nächsten Spalte die Anmerkungen meiner Lektorin und dann, in der dritten Spalte, meine Ideen, wie ich die Änderungsvorschläge umsetzen könnte und was für Änderungen an dem Kapitel gemacht werden müssen.

Beispiel:

Die Anmerkung meiner Lektorin war, dass sie sich fragte, warum Levi und Margret sich von zu Hause wegschleichen müssen? Wenn die Welt vor dem Untergang steht und es Levis Job ist, sie davor zu bewahren, dann müsste seine Familie das doch wissen. Immerhin haben sie die Funktion seit Jahrhunderten inne. Dass Levi sich wegschleicht, kam ihr also sehr unwahrscheinlich vor. Ihr Änderungsvorschlag war, dass er stattdessen von der ganzen Familie auf Reisen, auf Mission geschickt wird und sich nicht wegschleicht.

Was so leicht gesagt ist, verändert in Wahrheit zwei ganze Kapitel. Veränderte Kapitel, die wiederum Auswirkungen auf andere Kapitel haben, welche dann wiederum andere Kapitel verändern und und und…

An der Stelle ergibt sich leicht der Eindruck, dass ein Lektorat auf der Makroebene zwar für Klärung sorgt, aber auf Mikroebene sehr viel Verwirrung schaffen kann.

5. Schritt

Schreiben, schreiben, schreiben.

Ich denke, das muss ich nicht erklären oder?

6. Schritt

Der letzte Schritt: Zurück auf Start.

Wenn man am Ende herausgekommen ist, gibt man das Manuskript entweder noch einmal an den Lektor oder an Testleser, um zu sehen, ob es besser funktioniert.

Und danach…beginnt man unter Umständen wieder bei Schritt 1.

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