Jump!
Ja, ich weiß, die Veröffentlichung ist ein riesiges Thema, wenn man Autor oder Autorin ist und eben weil es so einen großen Teil des Schreiblebens bestimmt hat es schon einige Artikel, wie um Beispiel wie und wo man veröffentlichen kann, ob das Veröffentlichen als Verlagsautor oder als Selfpublisher besser ist und und und…. Dennoch gibt es eine Sache, die ich noch nicht einzeln beleuchtet habe. Die Armee an Artikeln hin oder her. Und dabei handelt es sich nicht um eine „technische“ Frage sondern es geht eher um eine Frage des Gefühls, mit dem sich viele Autoren und Autorinnen herumschlagen: Wann weiß man, dass man veröffentlichen sollte?
Besonders Neuankömmlinge in der Branche stellen diese Frage gern. Neben der Frage ob man wirklich einen Lektor, eine Lektorin braucht oder ob es nicht auch reicht, wenn man seinen Text der besten Freundin zu lesen gibt. Doch das wollen wir hier nicht diskutieren. Vielmehr gehen wir mal von folgender Annahme aus:
Das Projekt, an dem man sich das letzte Jahr die Finger wund getippt hat, ist beendet. Wobei es egal ist, wie beendet beendet das Projekt ist. Ob es sich lediglich um die Fertigstellung des Erstentwurfs handelt oder aber um Version 510 mit Segen der Betas und eines Lektors handelt, der Autor steht nun vor der Frage: Ich habe da jetzt so viel Arbeit hineingesteckt … Reicht das? Ist der Text jetzt gut genug, dass ihn fremde Augen zu lesen bekommen können?
Das ist die vordergründige Frage, doch davon darf man sich nicht täuschen lassen, denn eigentlich müsste die Frage nicht heißen: Reicht das?, sondern vielmehr: Kann ich meinem eigenen Urteil trauen?
Das ist, was hinter all den Zweifeln, der Unsicherheit steht. Kann ich meinem Urteil trauen?
Ich habe Monate mit dem Text zugebracht. Daran gefeilt, habe Arbeit und teilweise auch Geld hineingesteckt. Ich habe, je nachdem, positive Rückmeldungen von Testern bekommen. Die Kritik habe ich mir angesehen, bereinigt, was ich bereinigen konnte und wollte und nun? Nun stehe ich vor dem Manuskript, bin zufrieden damit, aber…
Aber.
Da ist es. Ein kleines, fieses Wort, das so viel sagt.
Aber man hört ja so viel darüber, dass Autoren zu nah an ihrem Text dran sind, um diesen noch neutral beurteilen zu können.
Aber, mir ist es nicht gelungen auf die Kritik von Leser X einzugehen. Diesen einen Punkt habe ich nicht beseitigen können, geht das trotzdem?
Schon steckt man knietief drin in den Zweifeln und mit der eigenen Vernunft ist da nicht gegen anzukommen, denn das klingt zu sehr nach Eigenlob und dieses stinkt bekanntlich. Eine objektive Bewertung ist also nicht möglich, weil wir alles verzerrt wahrnehmen. Und jetzt? Fremde fragen?
Keine dumme Idee.
Ja, in manchen Fällen können wir der eigenen Wahrnehmung nicht trauen. Dann ist ein fremdes Urteil gut, aber auch hier lauert eine Gefahr: die Gefahr es allen recht machen zu wollen, nicht unterscheiden zu können, zwischen wichtigen und unwichtigen Kritikpunkten. Was passieren wird, wenn man Leute darum bittet das Manuskript zu beurteilen, wird Folgendes sein:
Manche werden es gut finden, manche finden es einfach nur schlecht. Manch einer kommt mit gut durchdachter Kritik daher und manche Kritik würde dazu führen, dass man das ganze Manuskript in den Müll und alles noch mal schreiben müsste. 10 Leute, 15 Meinungen und in Folge jede Menge Arbeit und Arbeit und Arbeit, die wieder im Nichts endet. Bzw. in einem Neuanfang, denn wenn man all die Kritikpunkte am Werk behoben hat, steht man wieder vor der Ausgangsfrage: Ist das gut genug?
Und wieder ist man in der Situation, in der man meint, dem eigenen Urteil nicht trauen zu können, was dazu führt, dass man andere fragt, die dann wiederum sagen, das …
Es ist ein niemals endender Teufelskreis.
Es sei denn …
Man erkennt, dass man irgendwann wird springen müssen.
Denn, wenn man genau hinguckt, ist die Frage nach dem gut genug, doch nur die Angst davor, sich in 10 Jahren fürchterlich dafür zu schämen, was man da gemacht hat. Nichts anderes.
Die gute Nachricht ist: Das kennt jeder. Egal, was er oder sie macht. Ob das nun ums Schreiben geht oder ums Malen. Klar, wr will sich schon freiwillig blamieren?
Allerdings kommt man manchmal nicht drum herum. Ein bisschen Blamage wird es immer geben, allein wegen dem Problem es nicht allen recht machen zu können, siehe oben. Auch das Fragen nach Betalesern und das Verarbeiten ihrer Kritik ist doch nichts anderes als alles so sicher, wie möglich zu machen. Wir wollen mögliche Fehler finden, bevor andere sie entdecken, den erwarteten Bauchklatscher vor der eigentlichen Veröffentlichung abmildern. Denn der Testlauf ist ja nur ein Spiel und noch nicht Ernst oder?
Nein, ist es nicht. Auch der Probelauf ist schon eine richtige Veröffentlichung. Denn was ist eine Veröffentlichung? Doch nichts anderes, als dass du deinen Text einer Öffentlichkeit, also fremden Augen, aussetzt, die ihn dann fröhlich kritisieren Oder loben. Je nachdem.
Was machen Betaleser? Oder ein Lektor?
Ganz recht, auch die sind schon „Öffentlichkeit“, fremde Augen.
Wenn du also diesen Schritt bereits hinter dir hast, jetzt vor der „richtigen“ Veröffentlichung stehst, beziehungsweise vor der Frage ob du veröffentlichen sollst, dann spring. Denn du bist schon gesprungen. Zwei Schritte vorher bei deinen Testern. Du erinnerst dich? Warum also nicht nochmal?
Wegen dem Aber? Wegen der nagenden Stimme im Kopf, die dich fragt, ob du nicht noch irgendwas vergessen hast? Ob es nicht noch einen letzten Test gibt?
Spoiler: Nein, es gibt keinen letzten Test. Du hast bereits alles getan, was du hast tun können. Hast alle Möglichkeiten ausgeschöpft, immer und immer wieder an dem Text gefeilt, anderer Leute Meinungen eingeholt. Alles, was du jetzt noch machen kannst, ist der Angst in die Augen sehen und den letzten Schritt trotzdem tun.
Und ja, natürlich wird es nicht perfekt sein.
Niemand ist perfekt.
Und ja, natürlich wird man in 10 Jahren peinlich berührt sein, wenn man seinen Erstling sieht und sich denken, heute würde man es ganz anders machen und es war alles zu früh, und Gott ist das Ding scheiße.
Aber, dass man so denkt ist gut, denn es zeigt, dass man dazu gelernt hat. Oder nicht, wenn man immer noch zu 100 % überzeugt und begeistert ist.
Das ist normal und Teil des Prozesses. Sollte man nicht vergessen.
Genauso wenig, wie man vergessen sollte, dass man nicht allein ist, mit der Angst. Alle anderen kochen auch nur mit Wasser.
Daher, wann ist der Zeitpunkt seinen Text zu veröffentlichen?
Vermutlich genau jetzt. Wenn man alles getan hat, was man tun konnte und alle zur Verfügung stehenden Mittel ausgereizt hat.
Dann.