Ein Jahr Vancouver - Ein Fazit

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Seit einem Jahr leben wir in Vancouver und es ist an der Zeit ein Fazit unter das Jahr zu setzen und eine große Neuigkeit zu verkünden. Doch zuerst zum Fazit:

Das eine Jahr hier war alles Mögliche, aber nicht schön. Es war ein Jahr geprägt von Problemen, Angst und Enttäuschungen am laufenden Meter. Wenn ich sage, wir haben jede Woche, die ohne größere Katastrophen verlief und die um war gefeiert, dann lüge ich nicht.

Vancouver ist eine Stadt, die viele Versprechungen macht, aber keine einzige davon halten kann. Heutzutage ist es überall gang und gäbe Sachen zu beurteilten und zu empfehlen. Würde mich jemand fragen, ob ich Vancouver weiterempfehlen würde, so würde meine Antwort ganz klar und deutlich: „Nein!“, lauten.

Warum?

Verschiedene Gründe.

Startschwierigkeiten

Ja, ich weiß, die Startschwierigkeiten sind nicht die Schuld der Stadt und der hier lebenden Menschen und sie können überall auftreten, dennoch haben sie dazu beigetragen, dass unser Leben um einiges komplizierter und unsicherer wurde.

Das Fehlen einer Krankenversicherung in einem so teuren System wie hier und die Tatsache, dass man aus der neuen Wohnung ausziehen muss, weil es mehr eine Ruine denn eine Wohnung ist, sind nicht kleinzureden.

Dazu kam noch die Situation auf Arbeit.

Amazon mag zwar große Töne spucken, aber wenn es darum geht seine Mitarbeiter, zu unterstützen und ihnen beim Einleben und auch beim Lösen von Problemen zu helfen, glänzt es meist mit Abwesenheit. Großartig ist es einzig und allein, wenn es darum geht, die Situation noch weiter zu verkomplizieren. So traten neben den Schwierigkeiten mit der Krankenkasse und der Wohnung bald noch Probleme am Arbeitsplatz hinzu, die die Spannung vervielfachten und auf die wir gern verzichtet hätten. Zwischenzeitlich hatte ich das Gefühl, ich könnte nirgends eine Auszeit und Ruhe vor den Problemen haben, um vielleicht doch noch eine Lösung für das eine oder andere Problem zu finden, denn außerhalb der Wohnung warteten Probleme und Streit und innerhalb auch.

Klasse Situation.

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Hysterie aller Orten

Ein weiterer Punkt, der sich belastend auf die Gesamtsituation auswirkte, liegt in dem Wesen der Kanadier begründet.

Jeder, der sie flüchtig kennt, nimmt an, sie seinen nette Menschen. Kein Wunder. Sobald man einen Laden betritt, wird man angelächelt, man wird höflich gefragt, wie der Tag war, wie es einem geht…  Abgesehen davon, dass diese Art der Höflichkeit leer ist und nur dazu dient, einem das Geld aus der Tasche zu ziehen, lernt man die andere Seite dieser Maske nur kennen, wenn man sich länger im Land aufhält.

Der Durschnittskanadier scheint nur schwarz und weiß bei seinen Reaktionen zu kennen. Das heißt, so höflich er einen in seinen Laden begrüßt, so übel kann er einen fertigmachen, sobald er merkt, dass er nicht bekommt was er will, bzw. sobald es Probleme gibt.

Wo in Deutschland versucht wird einen kühlen Kopf zu bewahren und zu reden, den gesunden Menschenverstand einzusetzen (ein hier übrigens gänzlich unbekanntes Phänomen), wird in Kanada gebrüllt, gedroht, eingeschüchtert und alles mit Strafen belegt. Jeder Versuch vernünftig zu reden ist zum Scheitern verurteilt. Weswegen wir es aufgaben Kontakt mit Kanadiern zu haben und nur noch Bekanntschaften aus dem europäischen Raum pflegten. Schade drum, aber nicht zu ändern.

Seinen Niederschlag dieser Seite des kanadischen Wesens findet man übrigens in Mietverträgen bzw. Strata Bylaws, Zusatzklauseln zum Mietvertrag, die den Umgang der Mieter miteinander und der Mietsache an sich regeln sollen.

Zusammenfassen kann man diese mit zwei Worten: alles und Sippenhaft.

Alles wird geregelt und ist im Zweifelsfall verboten. Von dem Fakt, dass man keine Wäsche auf dem Balkon aufhängen darf, bis hin zu dem Fakt, wie viele Balkonpflanzen man haben darf. Nichts ist zu klein für die Strata Bylaws.

Zudem gilt ebenfalls: wenn einer der Mieter in einem Haus, welches gern ein Wolkenkratzer von zwanzig oder mehr Stockwerken mit bis zu zehn Wohnungen auf einer Etage ist, etwas falsch macht, wird, was auch immer er gemacht hat, für alle Mieter mit einem Verbot belegt, dass mit einer Strafe von um die 200 Dollar durchgesetzt wird.

Um das zu illustrieren: ein Mieter ist beim Blumengießen etwas ungeschickt. Wasser läuft aus, tropft zum Mieter unten durch, der einen hässlichen Wasserfleck auf seinem Balkon entdeckt und meldet. In Deutschland würde man die Schultern zucken und darauf hinweisen, dass Wasserflecken hässlich, aber nicht gefährlich sind und der Fall wäre ad acta gelegt.

Hier würde sofort das Aufstellen von Pflanzen oder das Anbringen von Blumenkästen verboten. Mieter, die bereits Töpfe auf ihrem Balkon hätten, müssten die grüne Pracht entsorgen. Sollten sie das nicht tun, müssten sie bei Entdeckung mit einer Strafe rechnen.

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Große Stadt ganz klein

Wer denkt, dass man dann wenigstens Ablenkung bei einem Kaffee oder einem Stadtbummel findet, der wird enttäuscht werden.

Schöne Plätze mit Flair sucht man hier vergebens und nette Kaffees mit echtem Kaffee an schönen Plätzen gleich drei Mal.

Vancouvers Haupteinkaufsmöglichkeit ist eine zweispurige Straße mit jeder Menge Auto- und Busverkehr. Sie ist laut und total überlaufen und schöne Läden? Nicht hier.

In der Regel findet man nur die gängigen Ketten, wie H&M, Old Navy, eine Art C&A Verschnitt oder aber Vancouver Marken wie Lulu Lemon, welche zu einem deutlich überhöhten Preis hässliche Yogaklamotten anbietet und Roots, ebenso teuer Laden, der auch nur Sportklamotten führt, wenn auch eher in Richtung College Stil.

Frisches Design, kleine und alternative Labels, Kreativität findet man hier nicht.

Nichts gegen Modeketten. Für die Basicsachen sind sie gut, aber von Zeit zu Zeit möchte Frau doch mal etwas Besonderes und nicht immer nur den „Einheitsbrei“ vor Augen haben. Wie heißt es schon in der Bibel: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein“?

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Ach, wo wir gerade bei Brot sind, das gilt in allen Bereichen:

Quantität statt Qualität

Es ist eine nicht enden wollende Klage der Europäer und wenn ihr da draußen Mitleid mit ihnen habt, schickt ihnen Care Pakete, denn es gibt hier keine Qualität. Weder in Sachen Mode, noch in Sachen Krankenkasse und Leistungen bei den Ärzten, bis hin zu den Sachen die man isst. Alles ist unterirdisch und nebenbei auch noch sehr teuer.

Die Preise für Lebensmittel sind hier in etwa drei mal so hoch, wie in Deutschland und sehr bald steht man vor dem immer gleichen Problem: Was kochen?

Die Rezepte, die man von zu Hause kennt, funktionieren nicht, denn entweder sind die Zutaten hier unbekannt, nicht zu bekommen oder unbezahlbar. Findet man doch mal etwas, wird man sehr bald feststellen, dass der Geschmack, die Konsistenz und die Qualität schlechter sind, als gewohnt. Abgesehen davon, dass es ärgerlich ist, führt es auch dazu, dass man mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hat. Montezumas Rache scheint sich nicht allein auf den Südamerikanischen Raum zu beschränken. Er hat sein Tätigkeitsgebiet ausgeweitet.

Einzige Abhilfe: Selbsthilfe

Sehr viele Auswanderer backen ihr eigenes Brot, ziehen eigenes Gemüse und Obst, denn gerade frisches Obst und Gemüse sind hier sehr teuer. Warum ist uns ein Rätsel. Kalifornien ist nicht weiter entfernt von Kanada als Spanien von Deutschland und es gibt sogar Anbaugebiete für Obst und Gemüse vor Ort, die sehr ertragreich sind. Trotzdem kann man es sich kaum leisten sich so zu ernähren, wie man es von zu Hause kennt. Spaß macht das auch nicht, nicht zuletzt auch, wenn man weiß, dass es anders geht.

Neuigkeit

Ich könnte noch Tausende andere Details hinzufügen, aber im Endeffekt würde das niemanden glücklich machen und es ändert nichts an dem Grundsatz, dass Kanada schlicht sehr teuer und sehr schlecht ist. Deswegen möchte es ich es bei den hier genannten Punkten lassen und lieber eine positive Neuigkeit verkünden:

Nachdem es in den letzten Monaten immer schlimmer wurde, habe ich die Reißleine gezogen.

Wir gehen zurück.

Die Entscheidung ist mir nicht leicht gefallen.

Ich weiß aus vorangegangenen Auslandsaufenthalten, dass es immer eine Phase der Anpassung gibt, in der das Heimweh regiert, alles schwarz erscheint und man nur noch weg möchte. Doch darum handelt es sich bei uns nicht mehr. Die Entscheidung zu gehen ist echten Problemen geschuldet, die ich in diesem Post gerade ansatzweise genannt habe. Wer kann, der mag zwischen den Zeilen lesen. Bis dahin heißt es für uns, dass wir Ende August unsere Zelte wieder mal abbrechen, zum dritten Mal in einem Jahr, und nach Hause zurückkommen.

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Sprung ins kalte Wasser