Schreibroutine und der Erstentwurf

Nach dem Fundamentgießen geht es nun an das Schreiben an sich.

Das Lustige an am Schreiben ist, dass es ein von mir oft beobachtetes Phänomen ist, dass alle total scharf darauf sind und es dann nicht durchhalten, weil das „echte Leben“ immer dazwischen kommt. Mal ist es der kranke Hund, dann der kranke Mann, der verhindert, dass man schreiben koknnte. Eine andere Version des Scheiterns ist das Schreiben nach dem Lustprinzip. Soll heißen: man schreibt nur dann, wenn man gerade einen Einfall oder Lust hat und zwar an dem Projekt auf das man gerade Laune verspürt. Was dabei passiert dürfte klar sein, oder? Manche Projekte, gerade wenn sie ganz frisch sind, machen erst einen enormen Fortschritt, um dann in der Mitte zum Erliegen zu kommen.

Das man weder auf die eine, noch auf die andere Art auf Dauer etwas gebacken bekommt, muss ich wohl nicht sagen.

Bleibt die Frage, wie schafft man es also, ein Projekt durchzuziehen und zu beenden?

Der erste Rat den mir viele erfahrenere Kollegen gegeben haben und den ich hier einfach weitergebe ist:

Scheiß auf die Muse.

Wenn du Autor bist, ist Schreiben dein Job und das macht man jeden Tag. Schließlich würde es dir bei deinem bezahlten Job auch nicht einfallen, nicht hinzugehen, weil du keine Lust hast. Also, Schreiben, jeden Tag! Egal ob du nun gerade die glänzende Idee hast oder nicht.

Und in diesem Rat steckt gleich Rat Nummer zwei mit drin, nämlich:

Nimm dein Schreiben so wichtig, wie deinen bezahlten Job.

Oft ist es doch so, dass Autoren das Schreiben,keinen wichtigen Stellenwert einräumen, weil es entweder ein unbezahlter Job oder ein sehr schlecht bezahlter Job ist. Von daher haben sie oft das Gefühl, dass es lächerlich wäre, wenn sie das Schreiben wichtig nähmen und sich dafür Raum freischaufeln würden. Was sie dabei aber übersehen ist, dass wenn sie es selbst nicht wichtig nehmen, werden sie das Gegenüber auch nie davon überzeugen können, dass es wichtig ist und dass sie, wenn sie ihre Projekte vertagen, nie einen Erfolg in den Händen halten werden, der die Zweifler überzeugen könnte. Deswegen: nehmt eure Schreibzeit ernst und haltet sie ein. Zum einen, um etwaige Zweifler davon zu überzeugen, dass es euch wichtig ist und um etwas zu erreichen.

Ein weiterer Grund, warum es wichtig ist, für seine Schreibzeit zu kämpfen ist, weil man mit Routine leichter vorankommt, als mit dem Lustprinzip. Warum?

Zum einen sieht man natürlich den handfesten Erfolg in steigenden Seitenzahlen. Gut, nicht jede Seite davon wird pures Gold sein, doch eine beschriebene Seite kann man editieren, eine leere hingegen nicht.

Zum anderen wird es einem leichter fallen in das Schreiben hineinzufinden, wenn man sich eine Routine angewöhnt, so dass man nach einer Weile auch ohne Inspirationsfunken arbeiten kann.

Dazu wann man Schreiben sollte und wie lange, gibt es viele Ratschläge und es bleibt jeden selbst überlassen. Mancher schreibt am besten am frühen Morgen und legt noch vor der Arbeit einen Schreibsprint von einer Stunde hin. Ein anderer ist eher nachtaktiv und geht eh nie vor Eins schlafen. Warum also nicht die Zeit nutzen in der es ruhig ist, weil das „echte“ Leben schläft und noch mal in die Tasten hauen?

Dann wieder gibt es die die keine feste Schreibzeit haben, sondern sich stattdessen eine feste Wortanzahl pro Tag vornehmen und diese dann in der Mittagspause, auf dem Heimweg und Abends auffüllen.

Wichtig ist: jeder muss seine Schreibzeit und wie viel er oder sie schreiben will selbst finden, aber macht es. Legt euch eine Routine zu. Und das bringt mich direkt zur Kategorie Ausreden: Oft sagen Autoren und Autorinnen, das Schreiben scheitere am übervollen Terminkalender, an den Verpflichtungen des echten Lebens. Schließlich gibt es da einen Haushalt, einen Mann, ein Kind oder zwei, einen Job. Was viele dabei aber übersehen ist, dass es keine langen Schreibstunden geben muss. Eine halbe Stunde pro Woche, während man in einem zugigen Flur darauf wartet, dass der Nachwuchs vom Fußballtraining oder der Flötenstunde kommt, reicht schon aus und wo man schreibt ist egal.

Um mal einen Schwank aus meinem Leben und meiner Erfahrung zu geben: Ich habe einen Großteil meines ersten Projekts auf dem Handy geschrieben, während ich unterwegs war zur Uni (eine halbe Stunde pro Tag) und von der Uni nach Hause (wieder einen halbe Stunde).

Als ich anfing zu arbeiten, habe ich vor der Arbeit geschrieben, nachdem Mann und Kind aus dem Haus waren. So kam ich immerhin auf eine Stunde pro Morgen, also auf fünf Stunden pro Woche, die ich investieren konnte.

Dazu kamen dann noch die Wartezeiten, die ich in eben den just erwähnten Fluren verbringen durfte. Wie oft ich da geschrieben habe, fiel mir erst auf, als die Musiklehrerin meiner Tochter mich anlachte und meinte, dass mit den Textnachrichten sei schon so eine Sache. Sie sei auch ganz besessen davon, während ich, mitten aus der Arbeit gerissen, nur verwirrt nicken konnte.

Eine Lücke gibt es also in jedem Kalender. Der Rest ist Disziplin.

Ob man das Zeug dazu hat wirklich täglich zu Schreiben und wie viele Wörter man überhaupt schafft, das zu testen bietet sich jeden November in Form des National Novel Writing Month an. Dabei geht es darum, dass man in einem Monat ein angestrebtes Ziel von 50.000 Wörtern erreichen kann / sollte. Die Teilnahme ist freiwillig und kostenlos und wer eine gute Ausrede braucht, um täglich schreiben zu „dürfen“, der kann ja den NaNo als eine Art Schutzschild vor sich halten. Vielleicht hilft es ja, sich weniger egoistisch zu fühlen oder die Zweifler zu überzeugen, wenn man weiß dass noch tausend andere Verrückte das auch machen. Und vielleicht überzeugt es einen auch selbst, dass man mit Routine am Ende weiterkommt, als mit Schreiben nach dem Lustprinzip.

So oder so, dauert die Phase des Erstentwurfsschreibens, wenn man davon ausgeht, dass man sich täglich maximal zwei Stunden freimachen kann und in guter Verfassung schreibt, circa vier Monate. Danach hat man ungefähr zweihundert Seiten. Für meinen letzten Roman „Lotte in London“, mit um die vierhundert Seiten, habe ich für den reinen Erstentwurf damals fast sechs Monate gebraucht, bei zwei Stunden und fünf Tage die Woche.

Hätte ich nur aus reiner Lust geschrieben, hätte ich kaum den Erstentwurf fertig bekommen, geschweige denn die komplette Neuüberarbeitung. Also, Routine zahlt sich aus.

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