Erfahrungen aus der Schreibpraxis - Betaleser

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Nach der Theorie soll heute wieder ein „praktischer“ Artikel folgen, der inhaltlich an die vorangegangenen anknüpft und das es im letzten Artikel um Betaleser ging, dachte ich ein paar Erfahrungen aus meinem Autorenleben in Sachen Betaleser könnten nicht schaden.

Bisher hatte ich für alle drei meiner Veröffentlichungen Betaleser.

Bei dem ersten Buch kamen sie aus meinem direkten Umfeld und das war in Ordnung, doch beim zweiten Buch „Wiedersehen in Berlin“ wollte ich nicht mehr mein näheres Umfeld damit behelligen, für mich Korrektur lesen zu müssen, denn wie bereits in dem Artikel über Betaleser gesagt, Korrekturlesen ist kein Spaß. Es ist eine anstrengende, umfassende und zeitraubende Aufgabe, die eigentlich niemand so recht machen möchte. Zumindest dann nicht, wenn die betreffende Person wüsste, was auf sie zukommt.

Und das bringt mich gleich zu meiner ersten Erfahrung mit Betalesern: Die Leute, die sich als Beta zur Verfügung stellen, haben oft keinen blassen Dunst, was genau sie erwartet, was genau von ihnen erwartet wird.

Unnötige Kritik /Falsche Kritik

Oft denken sie, sie bekämen ein fertiges Buch vorlegt, so wie sie es gewohnt sind, wenn sie ein Buch in der Buchhandlung kaufen und den meisten nicht klar, wie viel Arbeit in einem Buch steckt, dass man in der Buchhandlung kaufen kann. Daher denken die Leute sich nichts dabei, wenn sie ihre Dienste als Beta anbieten, was dazu führt, dass die Enttäuschung nicht nur auf ihrer Seite groß ist, wenn sie den Text bekommen. Durch ihre Unwissenheit kreiden sie alles an, was nicht mit einem „echten“ Buch übereinstimmt und das führt zu Kritik, die man sich gespart hätte, wenn man sich vorher schlaugemacht hätte, in was für einem Zustand ein Buch ist, wenn man es als Beta zu lesen bekommt. Oft werden Sachen bemängelt, die den Autor gar nicht interessieren und ihn auch in Sachen Geschichte an sich nicht weiterbringen, denn oft benutzt man Betaleser, um herauszufinden, ob die Geschichte trägt. Also, ob jemand, der das Buch, die Figuren nicht kennt, verstehen kann, um was es geht. Rechtschreibfehler und Stil sind sicher genauso wichtig, aber in der Bearbeitungsphase noch nicht gefragt. So wird das Betalesen oft zu Belastungsprobe für beide Seiten. Was am Ende zu dem nächsten Problem führt, dass ich mit Betalesern hatte:

Mangel an Disziplin

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Meiner Erfahrung nach muss man ungefähr doppelt so viele Betas verpflichten, wie man am Ende haben möchte. Möchte man 10, muss man mit 20 starten. Möchte man 7, braucht man am Anfang 14. Denn irgendwo zwischen dem Anfang und dem Ende wird gut die Hälfte von ihnen „verloren“ gehen. Nicht plötzlich, nein, eher tröfpchenweise. Die Abstände, in denen sie sich melden werden länger und länger. Die Zeit, die sie brauchen um das Kapitel zu bearbeiten wird ebenfalls länger und länger und irgendwann sind sie gar nicht mehr erreichbar. 

Für den Autor ein großes Problem und Ärgernis, denn als Autor fragt man sich schon, warum die Leute Hilfe anbieten und einen dann hängen lassen.

Liegt es an der Geschichte? Ist sie nicht interessant genug, um die Leser bei der Stange zu halten? Sind die Figuren schlecht?

Als Autor macht man sich sofort selbst runter, aber wenn man die Gelegenheit bekommt nachzufragen, was es denn nun war, lautet die Erklärung: zu viel Arbeit.

Leute, die sich als Betas verpflichten lassen, haben oft keine Ahnung davon, was und vor allem wie viel sie erwartet. Irgendwann im Verlauf der Arbeit stellen sie fest, dass es mehr ist, als sie dachten, und … sie verkrümeln sich.

Mich als Autor macht das wütend. Und meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass die Leute auch dann nicht darüber nachdenken oder Abstand von ihren Hilfsangeboten nehmen, wenn man ihnen erläutert, was man möchte und welche Größe das Projekt hat.

Daher kann ich nach meinen Erfahrungen nur raten: Heuert mehr Betas an, als ihr meint zu brauchen. Viel mehr.

Doch auch die Übrigen können nicht wirklich hilfreich sein, denn Beta ist nicht gleich Beta.

Die richtige Kritik bringt den Autor weiter. Die Falsche nur auf die Palme.

Es gibt Menschen, die sorgfältig arbeiten und hilfreiche Kritik äußern können.

Und dann gibt es die, die einfach nur über einen Text überfliegen und dann etwas von sich geben, bei dem selbst Haferbrei mehr Konsistenz hätte.

Beispiel gefällig?

Ein guter Betaleser wird zum Beispiel kritisieren, dass ihm die Reaktion einer Figur in einer Szene nicht gefällt. Er wird dir als Autor sagen, dass er das Gefühl hat, dass die Figur in der Szene übertrieben reagiert, die Sprache zu stark ist. Er wird fragen, ob die Figur wirklich so schlimm fluchen muss. Er wird sagen, dass die Figur als hysterisch, divenhaft ankommt und ob man das als Autor wirklich möchte?

Hier ist eine konkrete Aussage gemacht. Der Autor weiß genau, welche Szene, welche Figur und was genau als störend empfunden wird. So kann er sich überlegen ob das, was der Leser kritisiert hat, notwendig ist. Wenn nicht, kann er es ändern.

Im Gegensatz dazu steht das andere Beispiel nicht hilfreicher Kritik, wo zwar eine Aussage über eine Szene, einen Text gemacht wird, die Aussage aber so vage ist, dass man dem nicht auf den Grund gehen kann.

Beispiel?

Ein Beta gibt die gelesene Szene zurück mit den Worten, es gefalle ihm ganz gut.

Als erste Reaktion wird der Autor erleichtert durchatmen und sich freuen, dass es gefallen hat. Aber nach fünf Minuten wird er es genau wissen wollen. Was hat dem Beta gefallen? Was war gut an der Szene? Und wenn ja, kann er, der Autor sich das merken, um es beim nächsten Mal wieder anzuwenden, um die Leser zu begeistern?

Bei einem schlechten Beta kommen da keine weiteren Informationen. Er oder sie wird einfach darauf beharren, dass es gut war, aber er wird nicht sagen, warum. Er kann es auch nicht, denn er oder sie hat nicht wirklich aufmerksam gelesen. Er hat nur drübergelesen, fand nichts besonders Herausragendes an dem er  oder sie sich gestört hätte und das war es. Solche Betas sind nicht wirklich hilfreich, denn als Autor zeigen sie einem nicht, was gut ist. Man kann daraus so gut wie nichts lernen. Allenfalls können sie einem Autor zeigen, ob es in eine gute Richtung geht oder nicht.

Beide Beispiele sind auch in die jeweils andere Richtung denkbar.

Also ein Betaleser, der einem detailgetreu sagen kann, was er gut fand und ein Betaleser, der einem nicht sagen kann, warum er eine Szene, ein Kapitel nicht gut fand.

Jetzt kann man auf den Gedanken kommen, dass man, bevor man einem Betaleser ein Kapitel zur Kontrolle gibt, einen Fragebogen entwickeln kann, der dem Betaleser helfen könnte.

Ja, kann man.

Ich habe das bei „Lotte in London“ tatsächlich gemacht, nur um die Erfahrung zu machen, dass der Fragebogen gekonnt ignoriert wurde. Ein Großteil der Betaleser haben ihn nicht beachtet. Dabei wäre er für mich ein tolles Mittel gewesen gezielt Kritik zu Punkten abzurufen, bei denen ich mir unsicher, war. Gerade hier, hätte ich dringende Hilfe gebraucht, habe sie aber von den Wenigsten bekommen.

Gleichzeitig muss man mit Fragebögen aber vorsichtig sein, denn man kann die Leser auch auf manche Dinge aufmerksam machen und damit ihre Sicht trüben. So kann das Ergebnis verfälscht werden. Daher, wenn Fragebogen, dann eher zum Ende des Buches austeilen, damit der Betaleser wirklich ehrlich sagen kann, was ihm aufgefallen ist und was nicht.

Allgemein kann ich festhalten, dass die Arbeit mit Betas für den Autor anstrengend sein kann, auch wenn seine Tester das Buch lesen und nicht er. Es ist eine nervlich aufreibende Zeit, denn die Kritik, die geäußert wird, ist manchmal nicht schön und muss trotzdem beachtet und teilweise auch bei der Überarbeitung umgesetzt werden. Gleichzeitig ist der Autor als eine Art Kindergärtnerin gefragt, denn er muss die Betaleser regelmäßig anschreiben und sich immer wieder bei ihnen in Erinnerung rufen, wenn er möchte, dass seine Arbeit geprüft wird.

Das nächste Mal geht es weiter zum Coverbau, denn auch wenn der Inhalt eines Buches aller erste Sahne ist, das Cover ist immer noch das, was der Leser zuerst sieht und deswegen sollte das gut gemacht sein. Was des dafür braucht und auf was man achten sollte, erfahrt ihr nächsten Monat.

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